© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Machtkampf in der Ukraine
Das Alte überwinden
Christian Rudolf

Vitali Klitschko, der mit seinem Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz für alle sichtbar vom Westen als Janukowitsch-Nachfolger aufgebaut wird, hat mit seiner Schwarzweißzeichnung des aktuellen Machtkampfes unfreiwillig das eigentliche Problem der Ukraine markiert: den vollständigen Mangel an politischer Kultur, an Fairneß, Kompromißbereitschaft und Bürgersinn. Bei allem Respekt für die Demonstranten, die ihren jahrelang aufgestauten Frust landesweit auf die Straße tragen – auch die Opposition geht voll auf Konfrontationskurs, ihre Führer sind nicht frei von Eigeninteresse und ähneln denen, die sie bekämpfen, oftmals zum Verwechseln – man erinnere sich an Juschtschenko und Timoschenko.

Man hört: Diese oder jene Politiker wären prorussisch, andere prowestlich orientiert. Wie wäre es aber damit, der Wohlfahrt der Ukraine in allem den Vorzug zu geben? Nicht den eigenen persönlichen Interessen, nicht denen anderer Staaten und deren Kalkül? Den Staat nicht als Selbstbedienungsladen zu mißbrauchen? Weit dringlicher als eine neue Regierung ist es, daß sich die Ukrainer über sich selbst verständigen und klären, wie sie künftig zusammenleben wollen. Daß jeder einzelne an dem Platz, an dem er steht, den alten Homo sovieticus, den Sowjetmenschen in sich überwindet und das korrupte Wesen ablegt. Wenn der aufwühlende Aufstand dazu einen Prozeß anstößt, wäre viel gewonnen.

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