© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Grüße aus Rom
Appetit auf Rom
Paola Bernardi

Es war ein gewöhnlicher Mittwoch, als die Bewohner im Zentrum Roms von dem Brummen eines kreisenden Hubschraubers am frühen Morgen geweckt wurden. Die schrillen Sirenen und das zuckende Blaulicht der Einsatzwagen auf den Straßen machten das Szenario vollständig. Rom wie im Gangsterfilm hollywoodscher Prägung.

Genauer gesagt handelte es sich um eine von langer Hand geplante, großangelegte Razzia gegen die Mafia. Ein neuer nach Rom versetzter Staatsanwalt aus dem fernen Sizilien hatte es geschafft, das Geldwäschenetz der zwei wichtigsten Camorra-Familien aus Neapel zu zerreißen.

An diesem Morgen wurden 90 Personen verhaftet, zahlreiche Pizzerien, Restaurants und Bars im Herzen der Stadt beschlagnahmt. Ein Boß sprang gar aus dem Fenster und blieb tot auf dem Asphalt liegen.

Wo es was zu verdienen gibt, da ist letztlich auch die Mafia nicht mehr weit.

Vermögen im Wert von 250 Millionen Euro wurden aufgrund des Verdachts der Geldwäsche von Mitteln aus dem Drogenhandel der neapolitanischen Camorra konfisziert.

Als ich meine Zeitungen kaufen ging, sah ich vor den nahen vertrauten Palazzi in vielen Eingängen Carabinieri stehen. Hier hatten also Bosse gelebt. Bosse, die ich wahrscheinlich gegrüßt oder sogar morgens in der Bar getroffen hatte.

Überhaupt quellen die Lokale und Bars – an denen ich täglich vorbeispaziere – zur Zeit über von Touristen. Während die Römer immer ärmer werden, die Italiener das dritte Jahr in tiefer Rezession durchleben, hat der große Run auf die Stadt begonnen.

Nicht die Mafia – nein. Im Gegenteil. Am 27. April, dem Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit, findet die Heiligsprechung der Päpste Johannes Paul II. (gestorben am 2. April 2005) und Johannes XXIII. (gestorben am 3. Juni 1963) statt, und Roms Bürgermeister Ignazio Marino rechnet mit fünf Millionen Pilgern und Besuchern – das in einer Stadt, die selbst drei Millionen Einwohner hat.

Pizza, Eis, Gadgets – so lautet das große Geschäft für die Touristen und Pilger. Und wo es zu verdienen gibt, da ist auch die Mafia nicht mehr weit. Doch nicht nur Mafiosi haben jetzt Appetit auf Rom, sondern auch internationale Konzerne gehen auf Schnäppchenjagd, ebenso wie reiche Russen und Araber. Der große Ausverkauf der Ewigen Stadt hat begonnen und der römische Alltag verdunstet wie das Wasser im Sande.

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