© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Er wollte das Schöne zum Ausdruck bringen
Bildende Kunst: Das Urteil über das Werk des Bildhauers Josef Thorak wird nicht von dem ästhetischen Wert seiner Arbeiten, sondern ideologisch bestimmt
Karlheinz Weissmann

Zu den bizarrsten Szenen der Kunstgeschichte gehört sicher die, in der sich der Bildhauer Josef Thorak in eine Garage schleicht, um Gips anzurühren und heimlich an seinen Kunstwerken zu arbeiten. Das war derselbe Mann, der einige Zeit zuvor den Großen Preis der internationalen Jury auf der Pariser Weltausstellung erhalten hatte und den ein so bedeutender Kenner wie Wilhelm von Bode zu den wirklich schöpferischen Talenten rechnete.

Der Weg zur Kunst war für Thorak steinig gewesen, der aus einfachen, fast ärmlichen Verhältnissen stammte. Am 7. Februar 1889 in Wien geboren, hatte er wie der Vater das Töpferhandwerk erlernt, fertigte auf hergebrachte Weise Gefäße, Kacheln, aber auch Öfen, mußte sich tagsüber seinen Lebensunterhalt verdienen, um abends die Wiener Kunstgewerbeschule besuchen zu können. Schon da und in der Akademie der Künste bemerkte man seine außergewöhnliche Begabung. Nach der Übersiedlung nach Berlin und Eintritt in die dortige Akademie wurde er Meisterschüler des Graphikers Ludwig Manzel. Allerdings forderte der Krieg seinen Tribut, Thorak diente bis zum Zusammenbruch als Soldat im österreichischen Heer, lebte kurze Zeit auf einem Bauernhof und kehrte schließlich nach Berlin zurück, um sein Studium abzuschließen.

Auftragsarbeiten im Dienste des NS-Staates

Hier ließ die Anerkennung nicht auf sich warten, aber bis zur festen Etablierung verging noch einige Zeit. Bode, der eine erste Monographie über Thorak veröffentlichte schrieb, daß dem Bildhauer meistens das Geld fehlte, um seine Entwürfe in Stein oder Metall auszuführen und er sich mit Gips oder Pappmaché oder Ton behelfen mußte. Erst Ende der zwanziger Jahre ändert sich Thoraks Situation gravierend. Einen wichtigen Einschnitt bedeutete die Verleihung des Staatspreises der Preußischen Akademie der Künste 1928. Aus dieser Zeit existieren auch Werke, die erhalten und in Berlin nach wie vor zugänglich sind: die „Penthesilea“ an der Stirnseite der ehemaligen Heinrich-von-Kleist-Schule, „Heim“ und „Arbeit“ an der Knobelsdorffstraße sowie das Grabdenkmal für Franz Ullstein und seine Frau auf dem Waldfriedhof. Abgesehen von ihrem Naturalismus haben diese Figuren alle einen expressionistischen Zug, erinnern nicht nur an die Nachwirkung Rodins, sondern auch an parallel entstandene Skulpturen Georg Kolbes.

Die nationalsozialistische Machtübernahme bedeutete für Thorak keinen Bruch in seiner Entwicklung. Er hatte offenbar schon vor 1933 mit der Bewegung sympathisiert, jetzt bot ihm das neue Regime vor allem eine unerwartete Steigerung seiner künstlerischen Möglichkeiten. Daß die Monumentalität seiner Formen dabei nichts Nur-Äußerliches war, konnte man schon an den Auftragsarbeiten ablesen, die er 1934 für die türkische Regierung in kurzer Zeit fertigstellte, und erst recht galt das für jene Werke, die im Dienst des NS-Staates entstanden. Angefangen bei der Figur des Faustkämpfers auf dem Reichssportfeld (nach dem Modell Max Schmelings) über die Skulpturen, die für das Parteitagsgelände in Nürnberg gefertigt wurden, bis hin zu den Gruppen „Kameradschaft“ und „Familie“ für die Weltausstellung, die sich trotz thematischer Ähnlichkeit so deutlich von den knapp zehn Jahre zuvor entstandenen Arbeiten unterschieden.

Die Bewunderung Hitlers trug ganz wesentlich dazu bei, daß Thorak neben Breker zu den wichtigsten Staatskünstlern der nationalsozialistischen Zeit zählte. Die Figuren, die Thorak jetzt schuf, waren wesentlich stärker am Klassizismus orientiert als die früheren, was dem Zeitstil der dreißiger Jahre entsprach, und oft auf eine Wirkung berechnet, die sich erst aus der Distanz des Betrachters ergab; das berühmteste Beispiel dürfte das gigantische „Denkmal der Arbeit“ gewesen sein. Das heißt aber keineswegs, daß Thorak keine eigenen Akzente setzte, besonders deutlich etwa bei der irritierenden Verknappung aller Formgebung des „Königlichen Reiters“, der Friedrich den Großen darstellte, dem er auch eine Büste widmete, deren Gesichtszüge einen fast dämonischen Eindruck machten.

Seit dem Juli 1937 leitete Thorak eine Meisterklasse für Bildhauerei an der Münchener Akademie der Künste, im folgenden Jahr wurde er in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen. Er reiste mit anderen Prominenten offiziell nach Italien und erhielt zahlreiche Aufträge von staatlicher Seite. Zwischen 1938 und 1944 war er mit Werken an der Großen Deutschen Kunstausstellung beteiligt, der repräsentativsten Schau dieser Zeit.

Thorak stand auf dem Zenit seines Ruhms, wartete aber bis 1940, bevor er seinen Parteibeitritt erklärte, der überhaupt erst 1943 stattfand. Daraus auf irgendeine Distanz zum Regime zu schließen, wäre sicher verkehrt, aber es sind von ihm auch keine rechtfertigenden oder nonchalanten Äußerungen zum Thema bekannt, wie etwa von Breker. Thorak erklärte im nachhinein sogar, daß ihm der persönliche Umgang mit Hitler unangenehm gewesen sei und er dessen Selbstbild als „Kunstdiktator“ irritierend fand; das Fehlen des Hakenkreuzes in dem als Bekrönung des Reichsparteitagsgeländes gedachten Ensemble sei ebenso Ausdruck seiner Reserve gewesen wie der demütig gesenkte Kopf der Siegesgöttin, die den Kranz emporhielt. Die meisten dieser Äußerungen klingen nach Erklärung ex post, aber es kann doch als gewiß gelten, daß Thorak sich in erster Linie als Künstler betrachtet und unpolitisch in dem Sinn war, daß er keine ideologische Kunst wollte, das heißt keinen „nationalsozialistischen Realismus“ oder ein Werk, das aus der Rassenzugehörigkeit seines Schöpfers abgeleitet werden konnte, sondern eine Kunst, die in der europäischen Tradition stand und tat, was die seit je tat: das Schöne erstreben und zum Ausdruck bringen.

Als er starb, war er schon fast vergessen

Daran, daß Thorak von seinem Status profitierte, bestehen so wenig Zweifel wie daran, daß er die Nähe zur Macht genoß, oder daran, daß er sein Schicksal nach 1945 nicht nur als bitter empfand, sondern auch als ungerecht. Schon seine letzten Arbeiten – darunter ein großes Denkmal für Erwin Rommel, das einen sterbenden Löwen zeigte – waren nicht mehr zur Ausführung gekommen, vieles von dem, was er in den Jahren zuvor geschaffen hatte, wurde von Besatzungssoldaten mutwillig zerstört, anderes verschwand und befindet sich wahrscheinlich in Privatsammlungen in Übersee. Die Münchner Spruchkammer erklärte Thorak zwar für nicht betroffen, hielt aber das Arbeitsverbot bis 1948 aufrecht. Thorak verarmte und lebte zurückgezogen, arbeitete vorübergehend sogar als Ofensetzer. In seinen letzten Jahren schuf er neben Wandkacheln mehrere kleinere Werke, die wieder deutlicher an das Frühwerk anknüpften; die Themen waren – wie bei anderen ehemaligen NS-Künstlern – oft religiöser Natur. Eine gewisse Genugtuung bedeutete, daß die 1950 in Salzburg gezeigte Ausstellung seines Werks ein großer Erfolg war und sein „Paracelsus“ und sein „Kopernikus“, dazu das Modell für ein Fischer-von-Erlach-Denkmal in den Parkanlagen der Stadt Aufstellung fanden.

Als Josef Thorak am 25. Februar 1952 starb, war er von der Öffentlichkeit schon fast vergessen. Dabei ist es – abgesehen von einschlägigen Abhandlungen zur Kunstgeschichte der NS-Zeit – geblieben. Unverdientermaßen, muß man sagen, denn das Verdikt über Thoraks Werk lebt im Grunde nur von ideologischer Ablehnung, nicht von der Wertung seiner ästhetischen Qualität. Als der russische Kunsthistoriker Juri Markin vor eineinhalb Jahren einen Band mit Bildern von Werken Brekers und Thoraks veröffentlichte, war die positive Resonanz in seiner Heimat überraschend groß. Auf die Frage, warum er diese Art „belasteter“ Kunst präsentiere, lautete die Antwort Markins, weil sie „altmeisterlich“ sei.

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