© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Soldatendenkmal zum Einditschen
Gedenkstätte: Für das Militärhistorische Museum der Bundeswehr wird ein Kunstwerk aus Keksen gebacken
Paul Leonhard

Das stößt selbst der Boulevardpresse auf: „Geschmacklos oder anrührend? Dresdner Militärmuseum baut Grabmal aus Soldaten-Keksen“, fragt die Morgenpost. Und Bild müht sich, den Lesern das „eßbare Werk“ des Kunstprofessors Kingsley Baird zu erläutern. Der Bildhauer aus Neuseeland soll im Sommer ein Denkmal anläßlich des hundertsten Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges vor dem Militärhistorischen Museum der Bundeswehr errichten: aus 17.000 Keksen. So viele Soldaten umfaßte damals eine Division und ebenso viele Menschen kamen im August 1914 innerhalb weniger Kriegstage ums Leben.

Der 56jährige Baird greift eine Tradition aus seiner Heimat auf. Denn für sein „Kunstwerk“ verwendet er denselben Teig, aus dem die Hartkekse für die Soldaten Neuseelands und Australiens gebacken wurden, die als Angehörige der Commonwealth-Staaten in zwei Weltkriegen gegen Deutschland kämpften. Bis heute gibt es in beiden Ländern den Brauch, am „Anzac Day“ im April, dem Gedenktag für die Gefallenen, Kekse in Form kleiner Soldaten zu backen.

Bereits im vergangenen Jahr durfte Baird eine temporäre Kunstinstallation im Auftrag des Historial de la Grande Guerre, dem führenden französischen Weltkriegsmuseum, in Péronne schaffen. Hier schichtete er für die rund 40.000 in der Schlacht an der Somme gefallenen französischen und neuseeländischen Soldaten einen „Altar“ aus Anzac-Keksen. Mit seiner Installations-Performance nahm Baird, der sich in seinen Arbeiten seit Jahren mit grenzübergreifenden Erinnerungskulturen auseinandersetzt und das Grabmal des unbekannten Soldaten im National War Memorial Neuseelands sowie den „Friedensmantel“ Te Korowai Rangimarie im Nagasaki-Friedenspark gestaltete, die Form und Größe der Grabstätten auf, die der britische Architekt Sir Edwin Lutyes für die Friedhöfe des Commonwealth entworfen hat. Bairds Großvater hatte als Freiwilliger in einer neuseeländischen Einheit an der Somme gekämpft.

Die Entwicklung seines neuen Konzepts für Gedenkstätten will der Neuseeländer, der an der Massey-Universität in Wellington kreative Kunst lehrt, in Sachsen fortsetzen. In Dresden sollen die Kekse so geformt werden, daß man anhand der unterschiedlichen Stahlhelme die Nationalität erkennen kann. Franzosen, Neuseeländer, Australier und Deutsche. „Es gibt zwölf Formen, darunter auch welche von verwundeten Soldaten, denen etwa ein Arm oder Bein fehlt“, sagte Baird auf einer Pressekonferenz. Überdies soll die Vergänglichkeit des Denkmals ausdrücken, was für eine Verschwendung Krieg ist. Ziel sei es, daß die Menschen über den Krieg, die Opfer und die Aufzehrung der Männer und Frauen im Krieg nachdenken, sagte Baird. Geschehe das nicht, „funktioniert mein Projekt nicht“.

Während lokale Zeitungen Museumsdirektor Oberst Matthias Rogg vorwerfen, mit dem neuen Event allein auf mediale Aufmerksamkeit und damit auf höhere Besucherzahlen zu zielen, wird im Internet bereits heftig über den Sinn des Vorhabens diskutiert. „Schlimmer geht nimmer“, empört sich Brigitte F.: „Was für andere Länder gebräuchlich ist, muß hier nicht den gleichen Anklang finden.“ Sie sei noch mit dem Spruch aufgewachsen, daß man mit Essen nicht spielen soll und sie halte sich daran. Und Isabell Mädler meint: „Ist der Beginn des Ersten Weltkriegs wirklich dermaßen lustig, daß man jenem mit Gebäck und Verzückung huldigen muß? Ich dachte, dieser Brauch ist überholt.“

Strittig ist, ob die Kekse von den Besuchern gegessen werden können. Kingsley Baird hatte das ursprünglich favorisiert, „damit die Entbehrung der Soldaten und deren Konsum durch die Gesellschaft dokumentiert“ werde. Inzwischen geht diese Performance aber der Leitung des Militärmuseums zu weit: „Das geht leider aus hygienischen Gründen nicht“, sagte Museumssprecher Alexander Georgi. Im Internet wurde die Idee trotzdem aufgegriffen: „Bitte beim Besuch den Kaffee in der Thermoskanne nicht vergessen, damit man die Kekse vor dem Verzehr auch nach sächsischer Art in den Kaffee einditschen kann.“

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