© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Sie saust von Sieg zu Sieg
Weltklasse-Rodlerin auf dem Höhepunkt ihrer Karriere: Natalie Geisenberger, unsere deutsche Goldhoffnung für Olympia
Toni Roidl

Es ist soweit: Die 22. Olympischen Winterspiele haben begonnen! Viel ist über Menschenrechte und Geschlechtliches geredet und geschrieben worden – was werden die Spiele von Sotschi sportlich bringen?

Die subtropische Stadt ist eigentlich gar kein Ort für Ski- und Rodelfahrer. Sotschi liegt auf demselben Breitengrad wie Nizza. Der Strand gilt als die „Riviera des Schwarzen Meeres“. Wintersport unter Palmen? Faustischer Geist und allgewaltige Technik machen’s möglich.

Was werden unsere Athleten aus Garmisch-Partenkirchen und Winterberg am Fuß des Kaukasus leisten? Deutschland muß sich mit Herausforderern von Armenien bis Zypern messen. Rund 90 Nationen sind dabei, einige geben ihr Wintersportdebüt wie die Außenseiter Simbabwe oder Paraguay. Werden diese „Ski-Zwerge“ für eine Überraschung sorgen?

Schon im Juniorenalter sechs WM-Titel

„Unsere“ Natalie Geisenberger ist jedenfalls immer für eine positive Überraschung gut. Die 26jährige bisher fast Unbekannte legte eine Laufbahn wie aus dem Bilderbuch hin: den reinen Ergebnissen nach ist sie gegenwärtig weltbeste Rennrodlerin. Schon mit zwanzig Europa- und Vizeweltmeisterin, zeigte sie sich in diesem Winter von ihrer berauschendsten Seite: sieben Weltcupsiege bei acht Starts – mit dem vorzeitigen Gesamtweltcupsieg hat sie eigentlich schon alles erreicht, was man auf dem Rodelschlitten erreichen kann. Fünfmal deutsche Meisterin, dreimal Europameisterin und dreimal Weltmeisterin – nach Bronze in Vancouver fehlt Natalie Geisenberger auf dem Höhepunkt ihrer Karriere nur noch eines in ihrer Sammlung: die olympische Goldmedaille.

Die blonde Große mit den braunen Rehaugen kommt aus dem oberbayerischen Miesbach am Tegernsee. Schon mit zehn Jahren packte sie der sportliche Ehrgeiz. Eigentlich wollte sie Ski-As werden, entschied sich dann aber für Kufen statt „Brettl“. Das Gymnasium in Berchtesgaden ermöglichte der damals 16jährigen Schule und Sport zur gleichen Zeit. Seitdem rodelt sie von Erfolg zu Erfolg. Schon im Juniorenalter war sie ziemlich erfolgreich und gewann allein sechs WM-Titel. Die Schüchternheit ist Selbstbewußtsein und Schlagfertigkeit gewichen. Die 1,83 Meter große und 77 Kilogramm schwere Athletin ist Mitglied im A-Kader des deutschen Bob- und Schlittenverbandes. Ihre Spezialdisziplin ist der Einsitzer-Rennschlitten.

Trotz ihrer Erfolge ist die rasende Rodlerin sympathisch und bodenständig geblieben. Sie stellt immer noch stolz Presseartikel aus dem Miesbacher Merkur auf ihre Internetseite und läßt sich vom „Milchproduktehandel Oberland“ sponsern. Das Gold verdient sie beim Rodeln, das Geld mit einem Beruf: Geisenberger ist seit drei Jahren Polizeimeisterin bei der Bundespolizei.

Auch wenn sie schon vom US-amerikanischen Lake Placid bis zum norwegischen Lillehammer an vielen bekannten Wintersportorten an den Start gegangen ist, ihre Lieblingsbahn ist der Eiskanal am Königssee bei Berchtesgaden. „Hier ist meine Heimbahn, hier habe ich meine Fans“, sagt Geisenberger.

Schnellste Frau der Welt auf festmontierten Kufen

Ungefährlich ist ihr Sport nicht. Rennrodler schlittern mit deutlich über hundert Kilometern pro Stunde über die vereiste Strecke. Bisher überstand „Nat“ jedoch alle Fahrten „weitestgehend verletzungsfrei“, wie sie sagt. Darum engagiert sie sich für mehr Sicherheit im Freizeit-Rodelsport. Gerade auf Naturpisten müsse man immer mit umgestürzten Rodlern und Kindern rechnen, warnt sie. Außer im Rennschlitten sieht man die sportliche junge Dame auch im Ruderboot oder als Modell für Fitneß-Ratgeber.

Als schnellste Frau der Welt auf der Rodelbahn und mit reichlich Siegen im Gepäck gilt Geisenberger als Gold-Favoritin. Aufgeregt? „Das Kribbeln fängt an“, sagte sie vor der Abreise. Der Erwartungsdruck scheint ihr nicht viel auszumachen. Natalie ist angriffslustig. Vielleicht hat sie ja ein Quentchen mehr Glück als sonst – schließlich hatte sie in dieser Woche Geburtstag ...

www.geisenberger.de

www.sochi2014.com

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