© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Propaganda-Offensive
Wie früher: Wie das kremlnahe Fernsehen mit einer Anti-EU-Kampagne die Ukrainer für sich einnehmen will
Christian Rudolf

Arbeitslose, Obdachlose, Drogensüchtige und Neofaschismus in der sogenannten BRD haute Karl-Eduard von Schnitzler („Sudel-Ede“) den DDR-Bürgern weiland warnend um die Ohren. Wer russisches Staatsfernsehen guckt, erlebt derzeit ein Déjà-vu der bizarren Art: Die Stereotypen der sowjetisch-kommunistischen Hetze gegen Westdeutschland und die USA feiern fröhliche Urständ. Seit der Machtkampf in Kiew voll entbrannt ist, läuft die antiwestliche Kampagne Moskaus zur Hochform auf. Ziel: die ukrainische Opposition diskreditieren, die Lebensbedingungen in der EU in den schwärzesten Farben malen.

Im regierungstreuen Sender Rossija 1 sind die Proteste ein „Putsch der Oligarchen“ auf Befehl Washingtons und Brüssels, die Anführer auf dem Majdan verkommene Subjekte, die entweder homosexuell sind, „5- bis 6jährigen Kindern das Masturbieren beibringen wollen“ (als Beweis: der im EU-Parlament beratene Estrella-Bericht), oder aber neofaschistische Bestrebungen hegen, einschließlich „Sabotageakten“ gegen Kraftwerke. Nach Bildern von rechtsextremen Swoboda-Aktivisten folgen Aufnahmen vom Hitlerputsch 1923, die Stimme aus dem Off spricht, „das kostete 70 Millionen Menschen das Leben“, dann geht ein Dollarregen auf Vermummte nieder. Schnitt. In den Sternenkreis der EU-Fahne wird die Wolfsangel montiert, überblendet mit einem grinsenden Obama: „euer atlantischer Betreuer“.

Ein anderes Programm zeigt Archiv­material vom Leben in EU-Europa: verwahrloste Häuser, dreckige Hotels, Rauchverbote („Strafe: 275 Euro“), Polizeigewalt, Gayparaden und Stadtteile voller Schwarzafrikaner. Scheinbar zufällig ausgewählte Bürger verschiedener Länder berichten von Zeitarbeit, miesem Lohn, hohen Preisen für Miete, Restaurant und Theater. Ein politischer Kommentator darf sagen, in Österreich lebten „eine Million Menschen in Armut“. Was die Sendung verschweigt: Der scheinbar unabhängige Experte ist Ex-Landeschef der steirischen KPÖ.

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