© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Kampfdrohnen
Verzicht wäre fahrlässig
Michael Vollstedt

Der Selbstverständlichkeit, einen militärischen Gegner aufzuklären und Führungsentscheidungen auf die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu stützen, wird sich niemand verschließen. Ebensowenig der Frage nach geeigneten Aufklärungsmitteln.

So beschaffte die Bundeswehr Ende der sechziger Jahre das System CL 89 mit 2,4 Meter langen Drohnen für die Gefechtsfeldaufklärung. Ihr folgten leistungsstärkere und an spezielle Aufgabenstellungen angepaßte Systeme, zum Beispiel das Kleinfluggerät Zielortung (KZO) für die weitreichende Raketenartillerie.

Heute verfügt die Bundeswehr über mehr als 500 Drohnen für Aufklärungsaufgaben. Sie haben sich seit Jahrzehnten bewährt und sind in der Bundeswehr alltäglich. Auch mit dem Drohnenprojekt „Eurohawk“ sollte die Aufklärungsfähigkeit gesteigert und eine kritische Lücke geschlossen werden. Es scheiterte, weil die Verkehrszulassung für den dicht beflogenen Luftraum Mitteleuropas nicht erreichbar schien. Trotz des Fehlschlags werden Aufklärungsdrohnen von der Bundeswehr künftig benötigt, beschafft und eingesetzt werden.

Kampfdrohnen sind keine Wunderwaffen, aber es wäre fahrlässig, auf ihre Fähigkeiten zu verzichten. Schändlich, eigenes Personal unnötigen Risiken über Feindgebiet auszusetzen. Und verschwenderisch, das Einsparpotential nicht zu nutzen.

Im starken Kontrast zur militärischen Realität ist in der Politik wie in den Medien eine diffuse, oft verallgemeinernde Anti-Haltung zu Drohneneinsätzen aufgekommen. Auslöser ist das Vorgehen der USA bei der Abwehr des islamistischen Terrors: Sie verwenden bewaffnete Drohnen gegen Führungspersonen und deren Einrichtungen, wobei sich die Leitstelle Tausende von Kilometern vom Zielgebiet entfernt – „zu Hause“ – befinden kann. Deshalb werden von Kritikern ethische und völkerrechtliche Fragen in einer Weise aufgeworfen, als ob die Drohnensysteme an und für sich verwerflich wären.

Dieser Denkansatz geht fehl; umgekehrt ist es richtig: Wie bei allen bewaffneten Einsätzen muß auch der Kampfdrohneneinsatz ethisch zu rechtfertigen und völkerrechtskonform durchführbar sein. Ob die amerikanischen Einsätze der letzten Jahre dieser Grundforderung immer entsprochen haben, wird zu Recht bezweifelt. Die Kampfdrohnen selbst stehen völkerrechtlich hingegen nicht in Frage, und darüber hinausgehende ethische Zweifel wären unbegründet: Angriffe mit Drohnen sind grundsätzlich und in der Praxis nicht anders zu bewerten als solche mit Kampfflugzeugen oder Artillerie.

Dementsprechend gehorchte der Wunsch des vorigen Verteidigungsministers, Thomas de Maizière, nach einer breiten öffentlichen Diskussion über Kampfdrohnen dem Zeitgeist; eine eingehende regierungsamtliche Erklärung hätte der Sache mehr gedient.

Leistungsfähige Drohnen, die sich für den Waffeneinsatz eignen oder speziell dafür entwickelt werden, gewinnen international an Bedeutung und werden in der Bundeswehr gebraucht. Wie schon bei den Aufklärungsdrohnen, ist ihr Einsatz im bestehenden Führungssystem sowie im Verbund mit anderen Einsatzmitteln zu organisieren, zumal künftig auch mit wirksameren Abwehrmaßnahmen durch gegnerische Streitkräfte gerechnet werden muß. Die Integration in das Führungssystem erfolgt somit im Einsatzgebiet. Das „Fernlenkverfahren“ der USA im Anti-Terrorkampf scheidet für das Aufgabenspektrum unserer Streitkräfte aus.

Kampfdrohnen sind keine Wunderwaffen, können herkömmliche Flugzeuge, Hubschrauber und Artillerie aber ergänzen, zum Teil auch ersetzen. Je nach technischer Auslegung bleiben sie lange über dem Zielgebiet und erleichtern die Wahl des besten Zeitpunkts zum Angriff; sie erlauben eine präzise Zielbekämpfung und verringern unerwünschte Wirkungen, die über das eigentliche Ziel hinausgehen. Zielwechsel im laufenden Einsatz und Mehrfachzielbekämpfung sind möglich. Eigenes Personal bleibt vor direkten Abwehrmaßnahmen des Gegners geschützt. Und: Drohnensysteme verursachen während ihrer „Lebensdauer“ weniger Kosten als vergleichbare bemannte fliegende Systeme, bei zugleich geringerem Personalaufwand.

Deshalb gilt: Es wäre fahrlässig, auf diese Fähigkeiten zu verzichten. Schändlich, eigenes Personal unnötigen Risiken über Feindgebiet auszusetzen. Und verschwenderisch, das Einsparpotential nicht zu nutzen.

 

Michael Vollstedt, Jahrgang 1942, ist Generalmajor a. D. In seiner letzten Verwendung als Nato-Kommandeur war er zuständig für die Sicherheit des deutschen Luftraums.

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