© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Spree royal
Christian Vollradt

Majestät“, hebt Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur Begrüßung seines hohen Gastes am Beginn seiner Rede an. Belgiens König Philippe weilte am Montag mit Gattin Mathilde zu seinem ersten Staatsbesuch als geköntes Haupt in Deutschland und beehrte die im Auswärtigen Amt tagende 4. Deutsch-Belgische Konferenz mit seiner Anwesenheit. Veranstaltet wurde die von der Europäischen Bewegung Deutschland, einem „zivilgesellschaftlichen Netzwerk“ aus Parteien, Verbänden und Gewerkschaften.

Hausherr Steinmeier machte einen rundum zufriedenen Eindruck, was nicht nur am royalen Glanz gelegen haben mag, den der Besucher aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha an der Spree verbreitete – in Sichtweite der Baustelle des Berliner Stadtschlosses. Der Sozialdemokrat konnte vor allem die positiven Seiten seines neuen (alten) Amtes in der Großen Koalition genießen, während sich zur selben Zeit wenige Kilometer entfernt sein Genosse Sigmar Gabriel eher schlecht gelaunt in der Parteizentrale mit Journalisten und der leidigen Edathy-Affäre herumschlagen mußte.

Steinmeier dagegen beschwor vor dem König, belgischen Regierungsvertretern und den Konferenzteilnehmern den Geist Europas. Er blickte zurück auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts, zitierte Stefan Zweig, der bei Kriegsausbruch 1914 seine Sommerfrische in Belgien abbrechen mußte, und bezog die neueren Deutungen aus der Feder Christopher Clarks ein: der Krieg hätte nicht ausbrechen müssen, so Deutschlands Chefdiplomat. Europa habe die Dämonen des Jahres 1914 gebannt, aber nicht abgeschafft, warnte Steinmeier. Deswegen dürften in der aktuellen Krise der EU Politiker auch nicht bloß Hurra-Reden halten, sondern müßten „die Sorgen ernst nehmen und für die Probleme Lösungen finden“, meinte er unter anderem mit Blick auf die Folgen der Freizügigkeit.

Steinmeiers Brüsseler Amtskollege Didier Reynders hob die föderalen Gemeinsamkeiten Belgiens und Deutschlands hervor. Eine europäische Identität könne und werde die nationale Identität nicht ersetzen, sondern ergänzen. Angesichts der verbreiteten Euroskepsis mahnte der wallonische Liberale, daß „Europa nicht alles regeln muß“. Ganz auf den heiklen belgischen Proporz bedacht, wechselte der frankophone Reynders mitten in seiner Rede von Französisch zu Niederländisch; fortan wechselte auch die Dolmetscherin, was einige Zuhörer kurz irritierte. Nur der König – aller drei offizieller Sprachen seines Landes mächtig – verzichtete auf sämtliche Übersetzerdienste.

Wie sehr sich die Stimmungslage der beiden Kabinettskollegen Gabriel und Steinmeier an diesem milden Berliner Februarnachmittag unterschied, offenbarte nicht zuletzt die unterschiedliche Bewirtung ihrer Gäste: Im Willy-Brandt-Haus gab es noch nicht einmal stilles Wasser, im Auswärtigen Amt dagegen servierte man allein schon drei Sorten belgisches Bier, samt jeweils passender Gläser. Proporz kann durchaus vorteilhaft sein.

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