© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Grüße aus Moskau
Lächelnde Blondinen
Thomas Fasbender

In unserem Apartmenthaus, im Block schräg gegenüber, wohnt Michail Kusnirowitsch. Er gehört zu den reichsten Russen, Anfang der Neunziger hat er die Modemarke Bosco di Ciliegi ins Leben gerufen, und seit vielen Jahren rüstet er die russische Mannschaft bei olympischen Sommer- und Winterspielen aus. Ihm verdanken wir die floralen, paisleyartigen Muster in Kombination mit dem Schriftzug RUSSIA.

Es ist ein ruhiges, urbanes Moskauer Wohnviertel mit einer Apfelbaumallee und zwölfstöckigen Ziegelbauten aus der Stalinzeit, kein Ghetto der Reichen und Superreichen. Aber Kusnirowitsch ist auch kein Oligarch, der sich im Ausland Fußballclubs hält. Zu Beginn der Spiele wurde er im russischen TV porträtiert, umgeben von Freunden und Verwandten am langen Eßtisch seiner Wohnung.

Er erzählte, daß er seine Söhne bewußt nicht in die Schweiz oder nach England auf die Schule schicke, und daß es für einen Moskowiter eben doch keine andere Heimat geben könne als diese Stadt. An den Wänden hingen Gemälde dicht an dicht, der Tisch war mit russischen Spezialitäten bedeckt – das traditionelle Ambiente der Moskauer jüdischen Intelligenzija, die weiß, was sie an Rußland hat und die zu Rußland hält.

Es sind nicht Putins Spiele, mögen auch viele westliche Journalisten anderes behaupten.

Ist es die Seelenwärme, die uns im russischen und im jüdischen Humor unter den gleichen Temperaturgraden begegnet? Oder ist es die Seelenwärme, ohne die es im kalten Norden kein Überleben gibt?

Während der Spiele landete ich auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo, im selben Flieger ein Pulk Olympioniken aus Amerika. Zwei bezopfte Blondinen mit Sotschi-Schildern warteten hinter der Paßkontrolle. So ehrlich, so wenig aufgesetzt war ihr Lächeln. Man spürte förmlich, wie die zuerst skeptischen US-Amerikaner dahinschmolzen.

Es war das Lächeln Tausender Freiwilliger aus allen russischen Provinzen. Ob Athleten oder Unternehmensvertreter, die Reaktion ist immer dieselbe. Die Besucher kommen aus dem Westen, erwarten ein besseres Nordkorea, und dann das.

Nein, es sind nicht Putins Spiele, mögen auch noch so viele westliche Journalisten von der Idee nicht lassen. Gerade die neue russische Mittelschicht, die sonst am meisten über Putin schimpft, über die Korruption und die schlechten Straßen, jubelt den Siegen ihrer Mannschaft zu. Wer könnte sich auch sonst Tickets in Sotschi leisten?

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