© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Mit roten Zahlen an die Börse
„Schrei vor Glück“: Der Berliner Internetversandhändler Zalando hat große Probleme und dennoch ehrgeizige Ziele
Henning Hoffgaard

Es wäre wohl der größte Börsengang eines deutschen Unternehmens der jüngeren Geschichte. Der Internet-Modehändler Zalando plant nach Angaben des Manager-Magazins den Gang aufs Aktienparkett. Der Firmenwert wird derzeit auf etwa 3,7 Milliarden Euro geschätzt. Ein beachtlicher Erfolg für das erst 2008 in einer Berliner WG gegründete Unternehmen.

Heute ist Zalando einer der größten Mode- und Schuhversandhändler in Europa. Laut den in der vergangenen Woche veröffentlichten Zahlen erwirtschaftete das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro. Knapp 600 Millionen Euro mehr als noch 2012. Knapp die Hälfte des Umsatz entfallen auf Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Zalando verfügt über wichtige Verbündete

Doch das ist ist nur eine Seite der Medaille. Seit Jahren ist bekannt, daß Zalando rote Zahlen schreibt. In welcher Höhe? Das weiß kaum jemand. Nach eigenen Angaben liegt die sogenannte Ebit-Marge bei minus 6,7 Prozent. Dieser Prozentwert beschreibt die Profitabilität eines Unternehmens. Je höher die Prozentzahl, desto höher ist der Gewinn. Kurz gesagt: Zalando schreibt Verluste. Insider schätzten diese nach Angaben des Manager-Magazins für 2013 auf etwa 90 Millionen Euro.

Eher zurückhaltend gibt sich die Geschäftsführung: „Es ist eine mögliche interessante Option für die Zukunft.“ Dabei steht Zalando offenbar schon in Kontakt mit mehreren Banken, die den Börsengang über die Bühne bringen könnten. Als Favoriten werden unter anderem Goldman Sachs und Morgan Stanley gehandelt.

Völlig unklar dagegen ist noch, ob es an die Frankfurter oder die New Yorker Börse geht. Ein erstes Indiz für einen Börsengang gibt es bereits. Im Dezember änderte Zalando seine Rechtsform von einer GmbH in die Zalando Aktiengesellschaft (AG).

Die Gründe, warum der Internet-Versandhändler bis heute keinen Gewinn erwirtschaftet, sind vielfältig. Vor allem die hohen Rücksendequoten machen Zalando zu schaffen. Fast jede zweite Bestellung gehr retour. Lieferung und Rücksendung sind grundsätzlich kostenlos. Daran ändern kann Zalando künftig wenig. Die Konkurrenz der Einzelhändler ist zu groß.

Auch das Geschäft mit Winterkleidung lief wegen der bisher eher milden Temperaturen schleppend. Dennoch ist Zalando auch 2013 schneller als der Markt gewachsen. Daß es das Unternehmen trotz dieser Widrigkeiten so weit gebracht hat, liegt vor allem an zwei Dingen. Mit der „Schrei vor Glück“-Werbekampagne im Fernsehen hat sich das Unternehmen einen hohen Bekanntheitsgrad erarbeitet. Zum anderen hat Zalando eine Reihe mächtiger Verbündeter.

Zalando ist nur ein Mosaiksteinchen

Besonders die Rocket GmbH (eine Beteiligungsgesellschaft, die in zahlreiche junge Internetfirmen investiert) der schillernden Samwer-Brüder spielt bei Zalando eine zentrale Rolle. Die halten zwar direkt und indirekt nur einen kleinen Anteil am Unternehmen (etwa 17 Prozent), gelten aber dennoch als die wichtigste Stütze. Die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer haben es mit Klingeltönen und Handyspielen der Firma Jamba zu Multimillionären gebracht.

Ihr Konzept ist einfach: Über verschiedene Beteiligungsfirmen, unter anderem eben Rocket, werden ambitionierte junge Firmen („Startups“) unterstützt. Später werden die Anteile dann gewinnbringend Stück für Stück verkauft. Für die betroffenen Firmen ist das Segen und Fluch zugleich.

Auf der einen Seite haben die Samwers schon einigen Internetunternehmen zum Durchbruch verholfen (etwa dem Möbelversand home24.de), auf der anderen Seite wird auch ein enormer Erfolgsdruck aufgebaut. Zwar sind die Gehälter, gerade in Führungspositionen, der „Samwer-Firmen“ vergleichsweise hoch.

Wer es im Samwer-Imperium zu etwas bringen will muß eine Menge leisten. Für eine systematische Ausbeutung, wie sie die Gewerkschaften etwa Zalando immer mal wieder vorwerfen, gibt es jedoch keine Hinweise. Bei 8,79 Euro liegt der Stundenlohn in den Zalando-Logistigzentren. Also über dem geplanten Mindestlohn.

Für die Samwer-Brüder wäre ein Börsengang das I-Tüpfelchen auf ihrer bisher rasant verlaufenden Unternehmerkarriere. Frühestens im zweiten Quartal könnte es laut Experten losgehen. Doch schon jetzt ist klar: Eine „Volksaktie“ dürfte Zalando wohl kaum werden. Der Börsengang von Twitter hat jedoch bewiesen: Auch mit roten Zahlen läßt sich auf dem Parkett der Bulle reiten.

Foto: Postbote mit Zalando-Paket: Besonders die hohe Rücksendequote macht dem Unternehmen zu schaffen

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