© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Das Büro auf Reisen
Nach oben buckeln, nach unten treten: „Stromberg“ funktioniert auch als Spielfilm im Kino
Wolfgang Paul

Ein Meinungsforschungsinstitut hat unlängst herausgefunden, daß 85 Prozent der Büroangestellten mit ihrer Arbeit unzufrieden sind. Fast jeder vierte habe innerlich gekündigt, heißt es, und Hauptgrund für die Unzufriedenheit seien die Vorgesetzten. Nach einer anderen Studie glauben die Führungskräfte zu 95 Prozent, daß sie von ihren Untergebenen akzeptiert werden.

Bei solchen Zahlen verwundert es nicht, daß die Fernsehserie „Stromberg“ Kult ist. Vereinigt doch diese Führungskraft gleich mehrere volkswirtschaftlich unerwünschte Allüren in einer Person. Sie ist ein Ekel erster Klasse, das kein Fettnäpfchen ausläßt und seine Abteilung nicht nur mit herrlich unkorrekten Sprüchen nervt, sondern auch der Arbeit ausweicht, so gut es geht, und wenn Stromberg tatsächlich die Initiative ergreift, geht die Sache meistens schief, was er mehr schlecht als recht zu vertuschen sucht. Frei nach der Devise: Nach oben buckeln, nach unten treten.

Da aber Strombergs Vorgesetzte nicht immer blöd sind und manche Verfehlungen ihres Abteilungsleiters dann doch bemerken, bekommt er in regelmäßigen Abständen eins auf den Deckel. Stromberg ist gleichzeitig ein Ekel als Chef und ständig selbst gefährdet. Man kann ihn unmöglich finden und dabei auch sympathisch, wenn er sich selbst ein Bein stellt. Kurz: Er ist eine ideale, weil ambivalente Witzfigur, für die das Wort vom „Fremdschämen“ viel zu kurz greift.

Bei dem Fernsehsender ProSieben hat es die Serie auf 46 Episoden in fünf Staffeln gebracht. Ein beachtlicher Erfolg für ein Konzept, das zunächst niemand haben wollte, wie es der Erfinder der Figur, Ralf Husmann, berichtet hat. Erst als die britische Serie „The Office“ in England einschlug, war der Weg für das deutsche Pendant frei. Erst jetzt trauten sich deutsche Fernsehproduzenten an den politisch unkorrekten Stoff.

An dem Erfolg auch hierzulande hat die kluge Besetzung der Rollen einen maßgeblichen Anteil. Da ist zuerst Christoph Maria Herbst, der mit seiner Rolle als Bernd Stromberg komplett verwachsen ist. Wenn der Name Stromberg fällt, hat man sofort sein Gesicht, die hohe Stirn, den Bart und die grandiose Mimik vor Augen. Christoph Maria Herbst ist, auch wenn er in der Öffentlichkeit erkannt wird, für alle nur der Stromberg.

Nicht weniger gut ist das ewige Mobbingopfer Ernie Heisterkamp besetzt: Bjarne I. Mädel spielt seinen Part geradezu rührend naiv. Milena Dreißig gibt die alleinerziehende Jennifer Schirrmann, die nach vielen Entäuschungen sich jetzt mit Stromberg einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt sieht. Dazu kommen Diana Staehly als Tanja Steinke, geb. Seifert, die sich sehnlich eine eigene Familie wünscht, und Oliver K. Wnuk als Ulf Steinke, der lieber weiterhin ein Junggeselle wäre, und all die anderen Gesichter, die das Büro beleben.

Ein zweiter Trick der Fernsehserie besteht darin, daß die einzelnen Folgen nur eine knappe halbe Stunde lang sind. Als Zuschauer ist man erstaunt, wenn sie schon zu Ende sind. Man wird nicht satt in dieser kurzen Zeit.

Deshalb war das Projekt „Stromberg – Der Film“ mit einer Länge von vier Fernsehfolgen riskant. Würde die Figur auch über diese Distanz tragfähig sein? Kann man Stromberg über hundert Minuten ertragen? Es wundert nicht, daß zur Finanzierung beim Publikum Geld gesammelt werden mußte („Crowdfunding“ nennt man das heutzutage).

Obendrein mußte ein neuer Inhalt her: raus aus dem Büro. Im Kinofilm steht eine Jubiläumsfeier der Capitol-Versicherung an, und Stromberg ist zunächst dagegen. Er verbietet seiner Abteilung die Teilnahme. „Firmenfeiern sind wie das letzte Abendmahl. Immer zuwenig Weiber, das Essen ist schlecht, und am Ende gibt’s Ärger“, sagt er, und er soll recht behalten. Daß es Ärger gibt, ist ja geradezu sein Programm. Und so kommt, was kommen muß: Strombergs Abteilung für Schadensregulierung (auch das eine großartige Idee!) macht sich in einem angemieteten Bus auf den Weg ins Landhotel, wo die Feier stattfinden soll.

Allein die Busfahrt ist ein Glanzstück. Der übermüdete Busfahrer droht am Steuer einzuschlafen und macht eine ungeplante Ruhepause, was wiederum Stromberg veranlaßt, den Bus selbst zu fahren. Der gerade von Tanja und Ulf Steinke angenommene Pflegesohn macht ständig Ärger. Ernie wird wie üblich gehänselt. Büroatmosphäre auch im Bus.

Im Hotel angekommen, gibt es keine Reservierung für Stromberg. Da ist sein Organisationstalent gefragt, das später zur Geltung kommt, als er eine langweilige, natürlich von Ernie initiierte Veranstaltung kurzerhand umfunktioniert. Mit seinem Ansehen in der Capitol-Versicherung geht es im Verlauf des Festes munter hoch und runter – bis zum überraschenden und originell ausgedachten Schluß, der hier natürlich nicht verraten werden soll. Er läßt offen, ob und wie es mit Bernd Stromberg weitergehen wird.

Auch der Kinofilm ist mit einer dokumentarisch anmutenden Kamera gedreht, die das Geschehen beeinflußt, aber nicht so hektisch geführt, wie in den frühen Folgen der Fernsehserie, in denen dieser Stil oft übertrieben wurde. Regisseur Arne Feldhusen („Der Tatortreiniger“), der auch Musikvideos und Werbefilme dreht, hat sich für eine Mischform entschieden, bei der die Darsteller nur an manchen Stellen bewußt auf die Kamera reagieren. Die Kamera drängt sich nicht in den Vordergrund, und das trägt auch zur Kinotauglichkeit bei.

Auf die Frage, ob man Stromberg über zwei Stunden ertragen kann, auch als nicht bekennender Fan, gibt es jedenfalls ein eindeutiges Ja. Nur der Nachspann mit den nicht enden wollenden Stellungnahmen zur Person Stromberg ermüdet dann doch ein wenig. Aber der dürfte, wenn der Film später bei ProSieben gezeigt wird, ohnehin abgeschnitten werden.

www.stromberg-der-film.de

Foto: Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) und Ernie (Bjarne I. Mädel): „Firmenfeiern sind wie das letzte Abendmahl“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen