© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Blick in die Medien
Gezeigt, was ’ne echte Harke ist
Toni Roidl

So viel Aufmerksamkeit hat Stefan Reckleben wohl selten bekommen. Der Journalist ist Redakteur der Lokalzeitung Die Harke (Auflage: knapp 20.000) im niedersächsischen Nienburg. Das Weserstädtchen mit dreißigtausend Einwohnern liegt zwischen Hannover und Bremen an der Deutschen Märchenstraße.

Die Zeitung berichtet normalerweise über den neuen Putz an der Fassade des historischen Rathauses oder einen Küchenbrand, den die Freiwillige Feuerwehr schnell löschen konnte. Doch vergangene Woche landete Lokalreporter Reckleben einen Sensationsknüller: Er brachte die erste Meldung über die Razzia des LKA in der Wohnung von Sebastian Edathy, inklusive zweier Fotos, die er durchs Fenster schoß. Der Vorwurf gegen den SPD-Politiker: Besitz kinderporngraphischer Bilder.

Verschwörungstheoretiker und SPD-Anhänger wittern ein Komplott gegen Edathy.

Dafür wird die Harke nun selbst beschossen: Im Internet tobt ein Empörungssturm. Verschwörungstheoretiker und SPD-Anhänger wittern ein Komplott. Heribert Prantl greint in seiner Süddeutschen Zeitung, es sei fies, in diesem Verdachtsstadium zu berichten. Beim Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs in der katholischen Kirche sah das noch anders aus.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verkündete über Twitter, man halte das Fotografieren durch Edathys Fenster für „problematisch“. Die grüne Justizministerin forderte von der Staatsanwaltschaft Hannover gar eine Erklärung, wie Fotos von der Hausdurchsuchung nur an die Öffentlichkeit kommen konnten!

Ja, wie konnten sie das bloß? Indem der Lokalredakteur einfach tat, was ein Journalist tun sollte: Das Büro verlassen, vor Ort sein, Fotos machen und seinen Bericht schreiben. Das ist der Job von Journalisten. Für viele „Qualitätsjournalisten“ erschöpft sich dieser allerdings im Betätigen von Suchmaschinen. Sie sollten sich ein Beispiel an Stefan Reckleben nehmen.

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