© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Aufrecht zwischen den Stühlen
Konservativismus: Dem Publizisten Klaus Motschmann zum 80. Geburtstag
Rolf Sauerzapf

Ohne ihn ist die konservative Publizistik nach der Revolte der Achtundsechziger nur schwer vorstellbar: Klaus Motschmann. Ende 1971 übernahm der Berliner Politikwissenschaftler, der am kommenden Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, die Schriftleitung der Zeitschrift Konservativ heute. Der Beginn einer eindrucksvollen publizistischen Tätigkeit.

In der ersten Ausgabe von Konservativ heute hatte Hans-Joachim Schoeps einen Leitartikel veröffentlicht, der mit dem Satz schloß: „Die konservative Opposition ist das Gebot der Stunde.“ Und so finden sich in dieser Zeitschrift bereits die meisten Namen, die dann auch in der seit 1970 zunächst als Buchbesprechungsorgan erschienenen Zeitschrift Criticón schrieben: Pascual Jordan und Hans-Georg von Studnitz, Otto von Habsburg und Heinrich Drimmel, Konrad Löw und Lothar Bossle, vor allem aber Caspar von Schrenck-Notzing, Gerd-Klaus Kaltenbrunner und Armin Mohler, sowiedas österreichische Universalgenie Erik von Kuehnelt-Leddihn. Neben dem Criticón-Gründer Caspar von Schrenck-Notzing, Verfasser des Bestsellers „Charakterwäsche“, war ab 1980, nach der Fusion mit Konservativ heute, Klaus Motschmann Mitherausgeber und Mitredakteur der Zeitschrift. In unzähligen Beiträgen bis zum Jahre 1999 wirkte Motschmann mit und gestaltete Criticón zum führenden konservativen Organ. Dabei bewegte ihn vor allem die Entwicklung in den christlichen Kirchen, besonders in seiner eigenen, der evangelischen.

Seit 1981 war Klaus Motschmann auch Schriftleiter der Zeitschrift Erneuerung und Abwehr, dem Organ der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland. Er machte diese Zeitschrift zum führenden konservativ-evangelikalen Blatt. Dabei gelang es ihm hervorragend, die Balance zwischen „Abwehr (Apologetik) und „Erneuerung“ der Kirche zu halten. Im Dezember 2001 hat der Schriftleiter Klaus Motschmann seine Tätigkeit aufgegeben. Die Zeitschrift erschien noch eine Zeitlang unregelmäßig als evangelikal-erbauliches Blatt und wurde mittlerweile eingestellt.

Schon lange war das Hauptthema des Politikwissenschaftlers, der auch ein Theologiestudium absolviert hatte, die Verflochtenheit von „Religion und Politik“. Hier publizierte Motschmann über das Thema „Marxismus-Kommunismus und evangelische Kirche“, in der seit den sechziger Jahren ein Linksschwenk stattgefunden hatte. Dies zeigte sich besonders in West-Berlin, wo Bischof Scharf ein Protagonist des neuen Weges war. Klaus Motschmann hatte sich jahrelang in seiner Kirchengemeinde und der West-Berliner Synode engagiert. Jetzt spielte er auch in der Evangelischen Sammlung Berlin neben den Superintendenten Reinhold George und Wulf Thiel eine entscheidende Rolle.

Auch in deren Zeitschriften und der Zeitschrift Diakrisis, der Zweimonatsschrift der „Internationalen Konferenz bekennender Gemeinschaften“, und in idea Spektrum. Nachrichten und Meinungen aus der evangelischen Welt fanden sich seine zahlreichen Beiträge. Klaus Motschmann leitete über zwanzig Jahre zudem die Studientagungen der Evangelischen Notgemeinschaft. In den Sonderheften von Erneuerung und Abwehr fanden sich die Referate und Beiträge.

In den beiden jüngsten Veröffentlichungen Motschmanns, den von ihm herausgegebenen Sammelbänden „Abschied vom Abendland?“ (1997) und „Kirche – Zeitgeist – Nation“ (2006), klingt dieses Thema von Religion und Politik noch einmal kräftig an. Der Autor hat damit ein unübersehbares Ausrufezeichen gesetzt. Schließlich muß die Rede sein von seinen zahlreichen Beiträgen, und Kolumnen, die in der JUNGEN FREIHEIT erschienen sind. Altersbedingt sind diese Beiträge weniger geworden.

Die Grundeinstellung des 1934 in Berlin Geborenen ist eine christlich-preußische. Seine Kindheit und Jugend in der DDR, der 17. Juni 1953 und die Auseinandersetzung mit der sozialistischen Ideologie haben ihn geprägt. Eindeutigkeit und liebenswürdige Bescheidenheit gehören zu seiner Erscheinung. „Aufrecht zwischen den Stühlen“ steht er vor uns.

 

Dr. Rolf Sauerzapf war Kirchenrat und Dekan für Evangelische Seelsorge im Bundesgrenzschutz

 

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