© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Vage Mission in unsicheren Gegenden
Militäreinsatz in Mali: Eine Erweiterung der Bundeswehrtruppe übergeht Fragen nach der Sicherheit
Marc Zöllner

Die Taoudenni-Senke gilt als einer der heißesten Orte der Erde. Über 50 Grad Celsius mißt man hier im Sommer in den wenigen vorhandenen Schatten im geographischen Herzen der Wüste Sahara. Selbst im Winter ist es mit knapp 30 Grad noch unerträglich. Übers Jahr über fällt kaum ein halber Zentimeter Regen auf den brennend heißen Sand der nördlichsten Region des westafrikanischen Staates Mali.

Die rund 600 Arbeiter, die von der nächsten bewohnten Siedlung über einhundert Kilometer entfernt Salz in Taoudenni schürfen, graben sich für einen Hungerlohn wortwörtlich durch glühenden Boden. Doch seit wenigen Tagen ruhen ihre Werkzeuge.

Timbuktu bindet die Hälfte der französischen Truppe

„Mehrere Männer kamen in Autos angefahren“, berichtet Hamma Mohamed, einer der geflohenen Minenarbeiter aus Taoudenni. „Wir wußten weder wer sie waren, noch warum sie uns bedrohten.“ Drei Tage Zeit hätten die Schwerbewaffneten den Angestellten gegeben, das Gebiet weiträumig zu verlassen. Sie sprachen Arabisch, manche von ihnen auch Tamascheq, die Sprache der südlichen Tuareg. Doch ob sie radikale Islamisten waren, Separatisten oder gewöhnliche Kriminelle, konnten weder Hamma noch seine Kollegen identifizieren.

Die Evakuierung Taoudennis ist nur eine von vielen Begebenheiten der vergangenen Wochen, die verdeutlichen, wie angespannt die Lage im nördlichen Mali noch immer ist. Zwar sind seit Januar dieses Jahres bereits über 2.500 französische Soldaten im Rahmen der Operation Serval im Land tätig, um gegen Aufständische und Islamisten vorzugehen. Strategisch bedeutsame Erfolge konnten sie bislang jedoch nicht vorweisen.

Allein die Sicherung der Weltkulturerbestadt Timbuktu bindet fast die Hälfte des französischen Kontingents der Region. Die wenigen freien Truppen reichen kaum, um mehr als nur Strafexpeditionen ins Hinterland der Siedlungen von Gao und Kidal zu führen. Beinahe tägliche Selbstmordanschläge der Extremistenorganisationen MUJAO und Ansar Dine, zweier Abspaltungen der Terrororganisation al-Qaida im Maghreb, verunsichern die Bevölkerung auch weiterhin. An eine umfassende Kontrolle abgelegener Provinzen wie jener Taoudennis ist noch nicht einmal zu denken. Geschweige denn an die Entwaffnung der unzähligen in Mali operierenden Militanten.

Um so unverständlicher erscheint daher der Beschluß des Bundestags von vergangenem Donnerstag, daß sich nun auch Deutschland verstärkt in der Sahara engagieren will. Doch die Pläne sind bereits konkret auf dem Tisch: Bei ihrer kürzlichen Visite in der malischen Hauptstadt Bamako versicherte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erneut ihre Absicht, im Rahmen der binationalen Zusammenarbeit zwischen Berlin und Paris den eigenen Anteil an Soldaten für einen gemeinsamen Einsatz der Deutsch-Französischen Brigade in Mali aufzustocken.

Internen Berichten zufolge handele es sich um bis zu 250 Bundeswehrangehörige, deren Hauptaufgabe die Ausbildung malischer Rekruten sein soll. Doch auch Kampfeinsätze wurden nicht ausgeschlossen. Konkrete Pläne, wie genau ein deutscher Militäreinsatz der malischen Bevölkerung von Nutzen sein könnte, blieb die Bundesregierung der Öffentlichkeit bislang jedoch schuldig.

Einsatz im Krisenland Somalia könnte folgen

„Ich glaube, es geht beim Bundeswehreinsatz gar nicht primär um Mali“, konstatierte kürzlich die Linkspolitikerin Christine Buchholz. Sie begleitete Ministerin von der Leyen auf ihrem Staatsbesuch nach Bamako. Die Große Koalition habe „eine Orientierung auf mehr Auslandseinsätze vorgegeben und suche dafür nun die Krisenherde. Der Hauptzweck der deutschen Beteiligung, so Buchholz, sei lediglich „die Ausbildung der Bundeswehr für zukünftige Einsätze in Afrika.“

Als Beispiel erscheint Somalia. Bereits seit Monaten laufen dazu Planspiele, um eine Beteiligung deutscher Truppen an der europäischen Ausbildungsmission EUTM in Mogadischu vorzubereiten. Neben der CDU signalisierten dafür auch die Sozialdemokraten grünes Licht. Schon im April könnten die ersten deutschen Soldaten im Krisengebiet am Horn von Afrika landen und mit ihrer Arbeit, der Ausbildung der somalischen Armee, beginnen.

Doch die Sicherheitslage in Ostafrika wirkt noch prekärer als jene in der Sahara. Mali bietet geringfügige Vorteile: Die dortigen Rebellengruppen sind zersplittert, untereinander verfeindet und bekämpfen sich noch immer gegenseitig. Den Extremisten läßt dies wenig Spielraum – den ausländischen Truppen etwas Luft zum Atmen. Somalia jedoch gestattet es der Al-Shabaab-Miliz, als einzige militante Organisation von Bedeutung konzertiert zu agieren.

Wie vergangene Woche, als nicht nur der kommandierende Befehlshaber der somalischen Streitkräfte Jubalands, der westlichsten Provinz Somalias, auf offener Straße erschossen werden konnte. Nur wenige Tage später gelang es den al-Qaida nahestehenden Extremisten sogar, den Präsidentenpalast im Zentrum Mogadischus zu stürmen und über ein Dutzend Sicherheitskräfte sowie Regierungsbeamte zu töten.

Der Präsident der von der internationalen Staatengemeinschaft gestützten Interimsregierung, Hassan Sheikh Mohamud, entkam dem Anschlag nur knapp in einem der hauseigenen Schutzräume.

Daß die militärische Teilhabe Deutschlands sowohl in Mali als auch in Somalia kein Sonntagsspaziergang wird, weiß man auch in der Bundesregierung. Allein am Horn von Afrika kontrolliert die Al-Shabaab-Miliz trotz Interventionen der Armeen Ugandas, Kenias und Äthiopiens noch immer rund zwei Drittel des Landes.

Auch in den sich von Bamako abspalten wollenden Tuareg-Gebieten der Sahara bot sich bislang weder eine militärische noch eine politische Lösung zur Beilegung des Konflikts.

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich außenpolitisch gern bedeckt hält, schwor kürzlich die Öffentlichkeit ein, Deutschland müsse in diesem Unternehmen einen „langen Atem“ haben.

Foto: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf Truppenbesuch in Mali: Mit neuem Mandat und mehr Bundeswehrsoldaten das Land retten

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