© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Die Immobilienfalle
Währungskrise: Viele Deutsche setzen auf das Eigenheim als Inflationsschutz, aber nicht jede Immobilie schützt sicher vor Wertverlust
Christoph Braunschweig

Für Janine D. und ihren Mann Steve steht fest: „Wir wollen bauen.“ Die beiden Berliner sind der Max Mustermann unter den Immobilienkäufern: Beide sind um die 30 und haben zwei Kinder. Sie arbeiten im Staatsdienst, verfügen über ein überdurchschnittlich hohes und sicheres Einkommen. Sie ist bei der Justiz, er bei der Bahn.

Jedoch: Die vierköpfige Familie wohnt noch immer zur Miete im Stadtteil Pankow. Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Denn trotz monatelanger Suche kam bislang kein Objekt in Frage. So geht es vielen potentiellen Kunden: Sie finden auf dem heißgelaufenen Markt kein ihren Wünschen entsprechendes Haus – beziehungsweise keine Wohnung.

Das hat verschiedene Gründe. Gerade in bestimmten Brennpunkten wie Berlin-Prenzlauer Berg raten selbst Immobilienmakler, nicht mehr zu kaufen, weil die Preise zu hoch sind. Der Berliner Makler Nikolaus Ziegert etwa verriet dem Berliner Tagesspiegel kürzlich: „Ich würde mit dort keine Immobilie mehr kaufen.“

Dazu kommen marktfeindliche Gesetze wie die Mietpreisbremse, massiv gestiegene Spekulations- und Grunderwerbssteuern und Vorschriften, die Modernisierungen erschweren. Mit Mietimmobilien ist immer schwieriger Geld zu verdienen.

Einer der schwerwiegendsten Gründe, der wie ein Damoklesschwert über jeder Immobilieninvestition schwebt, ist die drohende Zwangsumlage nach Euro-Crash und Staatsbankrott. Was heute noch von Zeitgeistmedien als Verschwörungstheorie abgetan wird, könnte schon bald Wirklichkeit werden.

So wurden Hausbesitzer schon 1923 enteignet

Walter Wittmann aus der Schweiz warnt in seinem Buch „Superkrise“, daß sich der Trend zu immer mehr Schulden, der zur Zeit in praktisch allen westlichen Demokratien festzustellen ist, ungebremst fortsetzen werde, daß Staatsbankrotte in dichter Folge nicht mehr auszuschließen und neue Börsencrashs jederzeit möglich seien.

Bevor Regierungen Bankrott machen, lassen sie in aller Regel die Notenpresse auf Hochdruck heißlaufen. Daher stellt sich für die Sparer und Anleger die Frage nach einem Schutz vor Inflation. Kann man ein Vermögen überhaupt vor Inflation schützten? Eine wirklich seriöse Antwort kann es schon deshalb nicht geben, weil völlig unklar ist, welche politischen Kräfte zum kritischen Zeitpunkt regieren und welche Regeln dann für einen Vermögensschnitt, eine Währungsreform oder Umstellung und Neubewertung festgelegt werden. Klar ist lediglich, daß sich der überschuldete Wohlfahrtsstaat nur zu Lasten seiner Bürger entschulden kann.

Wer auf Immobilien als Inflationsschutz setzt, sollte sicherheitshalber davon ausgehen, daß er durch einen wie auch immer gearteten „Lastenausgleich“ mit herangezogen wird. Immobilieneigentümer entkommen der Inflation nicht, wie das Beispiel von 1923 zeigt.

Entgegen weitverbreiteter Meinung, gelang es den Immobilieneigentümern nicht, sich durch Inflation zu entschulden. Um die Mieten wegen der Geldentwertung entsprechend anheben zu können, hätten die Löhne in gleicher Höhe mit der Geldentwertung steigen müssen. Doch die Löhne hinkten der Inflationsrate weit hinterher. Zudem wurden viele Beschäftigte arbeitslos, so daß sie die Miete nicht mehr zahlen konnten.

Außerdem entschied das Reichsgericht 1923, daß Schulden nicht mehr mit der wertlosen Papiermark, sondern mit der von der Inflation nicht betroffenen Goldmark bezahlt werden müßten. Die aber hatten die meisten Hauseigentümer nicht und mußten deshalb ihre Immobilien zwangsversteigern lassen.

Wer hat das Sagen, wenn der Staatsbankrott kommt?

Daß das Märchen von der Schuldentilgung der Hauseigentümer via Inflation überhaupt entstanden ist, lag an einem Trick des in der Krise ins Amt gekommen­en Reichskanzlers Gustav Stresemann. Nach der Einführung der neuen Reichsmark Ende 1923 erhob die Regierung die „Hauszinssteuer“ auf Wohneigentum mit der (falschen) Begründung, die Immobilieneigentümer hätten sich durch die Inflation ihrer Schulden entledigt und müßten nun einen Lastenausgleich gegenüber den Nicht-Immobilieneigentümern zahlen.

Daß die Grundeigentümer vom Staat zur Kasse gebeten wurden, hatte einen einfachen Grund: Immobilien können nicht außer Landes gebracht werden, sie sind eben immobil. Die Hauszinssteuer war so hoch, daß viele Eigentümer ihre Häuser nicht halten konnten. Sie muß-ten an die Städte verkaufen, die damit den Grundstock für ihre kommunalen Wohnungsunternehmen legten.

Wertzuwachs unterhalb der Inflationsrate

Im Einzelfall kann eine Immobilie selbstverständlich als Inflationsschutz wirksam sein. Man kann aber nicht generell behaupten, daß die Immobilienanlage per se ein guter Inflationsschutz ist, so jedenfalls das Ergebnis einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft, bei der die Entwicklung der Immobilienmärkte in zehn Industrieländern seit 1970 untersucht wurde. In acht von zehn Ländern führte ein Anstieg des Preisniveaus zu sinkenden Preisen auf dem Immobilienmarkt. In Deutschland ergab sich zwar ein Wertzuwachs, doch lag dieser deutlich unter der Inflationsrate.

Umgekehrt führt die zur Zeit allenthalben festzustellende „Flucht in Immobilien“ zur Gefahr einer Immobilienblase. In sehr guten Lagen in den deutschen Metropolen steigen die Immobilienpreise seit geraumer Zeit exorbitant, wodurch sich die Rendite aus Mieterträgen entsprechend verringert.

Investoren stehen vor einem Dilemma. Gehen sie in die nachgefragten Ballungsräume, ist der Quadratmeterpreis besonders hoch. Die Rendite ist dann entsprechend niedrig. Oder sie erwerben eine Mietwohnung mit hoher Rendite in einer schwierigen Lage. Es gibt inzwischen auch in Westdeutschland – und nicht nur in den neuen Ländern – Gegenden mit hohem Leerstand. Städte wie Krefeld oder Gelsenkirchen. Dort wird es dafür mitunter schwer, einen Nachmieter zu finden. Also höheres Risiko.

Die durchschnittliche Rendite in Deutschland ist daher auf drei Prozent gefallen. Betriebswirtschaftlich muß der Ertrag aus Mieteinnahmen aber die Inflationsrate deutlich übersteigen, denn Eigentümer müssen Geld für Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen zurücklegen und sich auch auf das Risiko von Mietausfällen vorbereiten. Solche notwendigen Sicherheitskalkulationen werden auf dem derzeitigen Preisniveau meistens mißachtet.

Weiteres Problem: Bildung einer Blase

Die Illusion einer langfristig garantierten wertstabilen Anlage in Immobilien – außer in wirklichen Spitzenlagen – sollte sich niemand machen. Der Wert einer Immobilie sinkt langfristig. Bei einem größeren Investment in Immobilien sollte wegen der zu erwartenden Turbulenzen in der Eurozone und dem möglichen „Lastenausgleich“ (zum Beispiel in Form staatlicher Zwangshypotheken, die übrigens vom Grundgesetz abgedeckt sind) Vorsicht walten. Ein Investment außerhalb der Eurozone könnte sinnvoller sein.

Auch der verständliche Wunsch vieler Menschen, statt Miete an Dritte zu zahlen, lieber das eigene Dach über dem Kopf zu finanzieren, muß genau kalkuliert werden. Dabei wird nämlich oft die notwendige Kapitalisierung von Einnahmen und Ausgaben (sogenannter Barwerte) fälschlicherweise außer acht gelassen: Wer zum Beispiel 30 Jahre lang monatlich 1.000 Euro Miete zahlt, muß bei einem Anstieg in Höhe von zwei Prozent pro Jahr insgesamt 486.817 Euro bezahlen. Die Zahl ist zwar richtig, weil die Raten richtig addiert sind. Trotzdem ist diese Rechnung nicht aussagefähig.

Viele Investoren verrechnen sich

Erstens bekommt der Mieter für diesen Betrag einen Gegenwert, und der mögliche Investor muß sich fragen, wieviel Kredit mit 360 Raten zu 1.000 Euro getilgt werden könnte. Hierfür ist der Barwert heranzuziehen: Hypotheken mit einer Laufzeit von 30 Jahren kosten rund fünf Prozent pro Jahr. Das bedeutet, daß mit den 30 Raten ein Kredit in Höhe von 239.000 Euro verzinst und getilgt werden könnte.

In der Praxis ist es weniger, weil von den Raten mindestens zwanzig Prozent für Instandhaltung und Reparaturen abzuziehen sind. Werden auch noch die Nebenkosten für den Immobilienkauf eingerechnet, wird das zulässige Darlehen etwa 182.000 Euro betragen. Nun stellt sich die Frage, ob der Käufer für 182.000 Euro beispielsweise in Karlsruhe oder Münster ein Dach über den Kopf bekommt, das der eigenen Mietwohnung ebenbürtig ist. In der Regel dürfte das eher nicht der Fall sein.

Foto: Immobilien: Auch unter dem Gesichtspunkt der drohenden Inflation stellen sich immer mehr Deutsche diese Frage – Eigenheim oder Mietwohnung?

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