© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Der Konflikt in der Ukraine zeigt sehr deutlich, daß die „perennierende Revolution“ (Alexis de Tocqueville) noch nicht an ihr Ende gekommen ist. Die Forderung nach persönlicher Freiheit und nationaler Selbstbestimmung spielt dabei ebenso mit wie die Selbstermächtigung der Aufrührer, die keine Legitimität des Ancien régime anerkennen, nicht einmal die demokratische. Mit Spannung darf man erwarten, ob sich etwas wie eine Doppelherrschaft auf dem Weg des Kompromisses etabliert oder die Revolution in Kiew abgeschnitten wird; auch das ist eine denkbare Entwicklung, wenn man die historischen Beispiele durchmustert.

Peter Brandt, Historiker an der Fernuniversität Hagen, Sohn des früheren Bundeskanzlers und SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, wurde emeritiert. Bei der Abschiedsveranstaltung kam auch das Leitthema seiner wissenschaftlichen wie politischen Arbeit – das „Volk“ – zur Sprache. Aber was man darüber hört, wirkt verdruckst oder unangemessen nonchalant, wenn Brandt etwa mit dem Satz zitiert wird, die Deutschen würden eben in ein paar Jahrzehnten „ein bißchen dunkler“ aussehen als heute. – Es ist das Elend der Linksnationalen, daß sie von dem, was sie umtreibt, niemals offen sprechen können, weil das sofort den Verdacht der Gralshüter ihrer reinen Lehre erregt, ganz gleich, ob die nun internationalistisch oder multikulturell ausgerichtet ist.

Zu den unterschätzten Negativfolgen der großen Egalisierung gehört das Verschwinden des Herrensalons im eigentlichen Sinn. Die Umgebung von Frauen, die gefärbt, gesträhnt und getönt werden, die Wiederkehr des Lockenstabs, den Vorzug des Bobs oder die generelle Undankbarkeit von Gatten, Kindern, Enkeln, Freundinnen, den Inhalt von Illustrierten oder die Vorzüge gewisser Schauspielerhinterteile besprechen, und das laut genug, um die Trockenhaube zu übertrumpfen, dürfte bei den meisten Männern, die nur ihren Schopf in Ordnung gebracht wissen wollen, zu ähnlichem Streß führen wie die Aufforderung, mit Kinderwagen im Kaufhaus ein Leibchen für das Kleine zu besorgen: wissenschaftlich nachgewiesen ist eine Belastung ähnlich der des Kampfpiloten kurz vor dem Angriff.

Bildungsbericht in loser Folge LII: Vor einem Berliner Gericht wird ein Prozeß geführt, den Eltern mit Migrationserfahrung angestrengt haben. Sie wollen erreichen, daß ihre Kinder nicht mit (zu vielen) anderen Kindern, deren Eltern Migrationserfahrung gemacht haben, gemeinsam unterrichtet werden. Sie werfen den Behörden, die solche „Türkenklassen“ bilden, Rassismus vor. Auf den Ausgang darf man gespannt sein, erinnert man sich doch, daß weiland das Ansinnen von Eltern ohne Migrationserfahrung, ihren Kindern ein ähnliches Schicksal zu ersparen, als Rassismus gebrandmarkt wurde.

Autoaufkleber, babyrosa: „Odin fährt mit“.

Die geschlossene Front von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden angesichts zunehmender Einwanderung kann nur auf den ersten Blick überraschen. Seit Marx wissen wir, daß der Proletarier kein Vaterland hat, seit Lenin, daß die ökonomischen Interessen der Bourgeoisie bloß phasenweise mit denen der Patria übereinstimmen, solange nämlich der nationale Markt genügt. Danach ist man Weltbürger, will möglichst ungehindert jede Absatzchance nutzen und sich die Lohnabhängigen da suchen, wo sie am billigsten zu bekommen sind.

„Aber die Männlichkeit wird euch auch von Anfang an abtrainiert. Jungs treffen im Kindergarten beinahe ausnahmslos auf Erzieherinnen, die ein bestimmtes Bild von Männern haben. Da sollen die Buben die Jacke anziehen, wenn es kalt ist, nicht herumlaufen, weil es gefährlich ist, sich nicht prügeln, denn das macht man nicht. Ich habe mich als Kind ständig geprügelt, meine Brüder auch. Das war normal. Heute ist es verpönt. Was kann aus diesen Jungs schon werden, wenn sie aus dem Kindergarten kommen und Schule und Studium hinter sich haben? Statt in ihre Jacken schlüpfen viele jetzt brav in ihre Anzüge, laufen mit ihren Tablets durch die Gegend und versuchen, es jedem recht zu machen. Und was passiert, wenn sie nach Hause kommen? Das, was man ihnen beigebracht hat: Sie achten darauf, daß der Nachwuchs die Jacke anzieht, nicht unkontrolliert herumtollt, sich nicht prügelt. Furchtbar.“ (Katharina Müller-Elmau, Schauspielerin)

Daß die USA die höchste Gefangenenrate gemessen an der Einwohnerzahl weltweit haben, ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist, daß in den Haftanstalten auch die höchste Zahl an „Lebenslänglichen“ ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung einsitzt – insgesamt 3.281 Personen –, denen kein einziges Gewaltverbrechen zur Last gelegt wird.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 14. März in der JF-Ausgabe 12/14.

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