© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Inklusion auf der Toilette
Berlin: Der Bezirk Mitte setzt auf Unisex-Klosetts
Thorsten Brückner

Nun also auch der Bezirk Mitte mit seinem Regierungsviertel. Bald schon müssen sich die Besucher öffentlicher Einrichtungen dort vor dem Toilettenbesuch nicht mehr mit der lästigen Frage herumschlagen, ob sie sich männlich oder weiblich fühlen. Toiletten für Inter- und Transsexuelle sind seit einiger Zeit Berlins Beitrag zu mehr Toleranz gegenüber sexuellen Zweifelsfällen. Als Vorbild dient einmal mehr der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der spätestens mit dem Amtsantritt der Grünen-Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann zum Versuchslabor gesellschaftspolitischer Narreteien avanciert ist (JF 8/14).

In Sachen Toleranz kann dem Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), aber niemand ein X für ein U vormachen. Hanke geht daher noch weiter: „Alle Bezirke sollten nachziehen. Das wäre wahre Inklusion“, bejubelt er seinen eigenen Vorstoß. Unisex-Toiletten, schreibt er den Gleichstellungsgegnern ins Stammbuch, seien ein „Symbol für unsere offene und tolerante Gesellschaft“.

Facebook als Vorbild für gerechteres Pinkeln

Antragsteller im Bezirk Mitte war übrigens die Piratenpartei. Deren Bezirksverordneter Tobias Kreisel sah sich zunächst gezwungen, Vorwürfen entgegenzutreten, bei den Einheitstoiletten handele es sich um eine teure Maßnahme für eine vergleichsweise kleine Minderheit.

„WCs lassen sich nahezu kostenneutral in Unisex-Toiletten umfunktionieren“, klärte der Pirat die Zweifler auf. Lediglich die Beschilderung müsse ausgetauscht werden. Mit anderen Worten: Die 3,4 Millionen Berliner, die sich ihrer Geschlechtszugehörigkeit sicher sind, werden in Zukunft weniger Stille Örtchen zur Verfügung haben.

Dafür können sich die laut Presseberichten angeblich 4.000 Menschen ohne eindeutiges Geschlechtsbewußtsein in der Hauptstadt nun in Zukunft diskriminierungsfrei Erleichterung verschaffen. Aber geht der Gesetzesentwurf weit genug, mag mancher fragen? Könnten sich nicht Transsexuelle schon bald diskriminiert fühlen, sich mit Intersexuellen denselben Lokus teilen zu müssen?

Um seinem eigenen Anspruch als Vorkämpfer gegen Diskriminierung gerecht zu werden, hätte sich der Bezirksbürgermeister mal besser Anregungen bei Facebook geholt: In dem sozialen Netzwerk können Nutzer seit kurzem aus 58 verschiedenen Geschlechtsoptionen wählen. Wäre das nicht auch ein Modell für ein noch diskriminierungsfreieres Pinkeln?

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