© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Geschlechterrollen und Frauenpolitik
Staat, halt dich heraus!
Thomas Rettig

Schon viele Segnungen des Wohlfahrtsstaats sind in Frage gestellt worden, doch der milliardenschwere Ausbau der Kinderkrippen gehört zu den modernen heiligen Kühen, die selbst von Konservativen gutgeheißen werden. Nur wenige Warner sehen den Nachwuchs im Alter von eins bis drei Jahren besser bei Mutter und Vater und in der elterlichen Wohnung aufgehoben. Hier soll aber nicht die Rede davon sein, daß der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, der im August 2013 in Kraft trat, in qualitativer Hinsicht ein Irrweg ist: Er ist es auch quantitativ, denn er wird die Geburtenzahlen mittelfristig noch tiefer in den Keller sinken lassen. Das Problem ist nämlich, daß die vermehrt berufstätigen Mütter den Männern die Arbeitsplätze streitig machen. Für den Mann ist der Gelderwerb im Beruf von vitaler Bedeutung. Außerdem gilt: Solange die Reproduktion nicht vollständig in staatliche Hände (und Reagenzgläser) übergegangen ist, brauchen wir die Männer, und zwar als Steuerzahler und Familienernährer, nicht als Minijobber oder Langzeitarbeitslose.

Nur einen kleinen Teil der berufstätigen Familienfrauen kann man zu den Hochqualifizierten zählen, von deren Arbeitsleistung die Stellen zum Beispiel von untergeordneten Mitarbeitern abhängig sind, die also mehr Arbeit schaffen als sie selbst besetzen. Und diese Schicht von weiblichen High Potentials kann sich locker eine Kinderfrau oder eine private Kinderkrippe leisten. Die vermehrte Berufsarbeit der ganz normalen Hausfrau, wenn auch meist halbtags oder als Minijob, wird immer mehr Männer im Arbeitsleben nach unten drücken.

Das wäre nicht weiter schlimm, wenn die Welt so wäre, wie die Feministinnen sie sich erträumen. Tatsache ist aber, daß beruflicher Erfolg und selbstverdientes Geld den Kern der männlichen Geschlechtsrolle ausmachen. Das heißt ganz konkret: Die Gesellschaft und insbesondere die Frauen erwarten vom Mann, daß er die Hauptverantwortung für die finanzielle Versorgung der Familie übernimmt. Wenn er dazu nicht willens oder in der Lage ist, dann bleibt er allein und meistens kinderlos. Praktisch alle Single-Frauen, die auf der Suche nach einem Partner sind, suchen einen, der ein höheres Einkommen als sie selbst erzielt. Das gestaltet sich allerdings zusehends schwieriger, vor allem, wenn man die Stundenlöhne betrachtet.

Staatliche Maßnahmen zur Frauenförderung konterkarieren die bipolaren Rollen von Mann und Frau. Indem sich der So-zialstaat einseitig um die vordergründigen Interessen der Frauen kümmert, destabilisiert er das gesellschaftliche System Familie.

Je mehr Frauen ins Berufsleben gedrängt werden, desto mehr Hallodris und gescheiterte Existenzen wird es bei den Männern geben. Da darf es niemanden wundern, wenn die Frauen häufiger kinderlos bleiben oder den Status der Alleinerziehenden anstreben. Wir haben es hier mit einem Paradebeispiel zu tun, wie der Staat durch sein Eingreifen das sozioökonomische Gleichgewicht von Mann und Frau stört und die gewachsenen Strukturen von Familie und Arbeitsleben durcheinanderbringt. Die Krux mit dem staatlichen Interventionismus ist die mangelnde Ehrfurcht der Sozialpolitiker vor den über die Jahrtausende entstandenen Institutionen der abendländischen Gesellschaft.

Das Naturrecht – und der gesunde Menschenverstand sowieso – bestimmt die Familie als den Ort, wohinein der Nachwuchs geboren wird und wo er aufwachsen soll. Nicht aber im Deutschland des 21. Jahrhunderts: Wie auf der Webseite des Bundesfamilienministeriums zu lesen ist, „stellt der Bund den Ländern bis 2014 insgesamt 5,4 Milliarden Euro zur Verfügung, um zusätzliche Plätze in Kitas und in der Kindertagespflege zu schaffen und ihren Betrieb zu finanzieren“.

Zur minderen Qualität staatlicher Kleinkindererziehung nur dies: Kindern tut man in den ersten drei Lebensjahren den besten Dienst, wenn sie wenige Bezugspersonen haben. Wird ein Kind in diesem zarten Alter von den Eltern zu den Großeltern und von einer Tante zur anderen herumgereicht, wird es jedesmal mit anderen Regeln konfrontiert. Was die eine Betreuerin zum Lachen bringt, veranlaßt die andere zu einem Nein mit großen Augen und zu einem erhobenen Zeigefinger.

Friedhelm Neidhardt, ein Soziologieprofessor der alten Schule, schrieb Mitte der siebziger Jahre: „Wenn heute belohnt wird, was gestern bestraft wurde, dann entsteht Verhaltensunsicherheit. Die Welt erscheint chaotisch, unstrukturierbar, eben auch unlernbar; Apathie folgt daraus. Um dies zu vermeiden, wird von der Umwelt des Kindes ein Minimum an Konsistenz verlangt“ („Die Familie in Deutschland. Gesellschaftliche Stellung, Struktur und Funktion“, 4. Auflage 1975, Seite 80). Die Fremdbetreuung in der Kinderkrippe beeinträchtigt daher die Entwicklung des Kindes, einschließlich der Intelligenz. Erst ab dem Alter von etwa drei Jahren sind die Kleinen in der Lage, widersprüchliche Impulse von diversen Erziehern als Bereicherung und als Erweiterung des Horizonts zu erfahren.

Das christliche Europa ist mit dem Respekt vor sozialen Phänomenen wie dem des Marktes groß geworden und hat bis ins vergangene Jahrhundert hinein eine weltbeherrschende Stellung eingenommen. Geholfen haben dabei nicht zuletzt die Vorstellung von ehelicher Treue und die Überzeugung, daß neben der weiteren Verwandtschaft in erster Linie der jeweilige Paterfamilias für die Versorgung von Frau und Kindern zuständig ist. Der Staat leistete allenfalls Nothilfe. Friedrich August von Hayek bezeichnete die Fortschrittsgläubigkeit der Sozialingenieure in den heutigen Ministerien und Parteizentralen als „Anmaßung von Wissen“. Unter diesem Titel kritisierte er 1974 bei der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises, daß im Wohlfahrtsstaat „die Ersetzung spontaner Prozesse durch bewußte menschliche Lenkung“ betrieben werde. Gerade in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften seien die Grenzen des Wissens aber besonders eng gesteckt, weswegen Forscher und Politiker mehr Demut gegenüber den Werten, Normen, Bräuchen, Traditionen und urwüchsigen Institutionen ihrer eigenen Kultur an den Tag legen sollten („Hayek Lesebuch“, herausgegeben von Viktor Vanberg).

Staatliche Maßnahmen zur Frauenförderung konterkarieren die bipolaren Rollen von Mann und Frau. Diese werden dadurch aber nicht aufgehoben, sondern lediglich auf groteske Weise verzerrt. Weil die Frauen der Mittelschicht im Vergleich zu früher erfolgreicher geworden sind, müssen die Männer ihren Erfolg und ihre Männlichkeit noch weiter steigern, um beim anderen Geschlecht punkten zu können. Im Wettbewerb um die besten Positionen und die schönsten Frauen fallen jedoch mehr und mehr hoffnungsvoll gestartete Vertreter des starken Geschlechts hinten runter, darunter auch so mancher Akademiker. Indem sich der Sozialstaat einseitig um die (vordergründigen) Interessen der Frauen kümmert, destabilisiert er das gesellschaftliche System Familie, das mit dem Berufsleben in enger Wechselwirkung steht.

Zur schädlichen Einmischung der Politik gehören neben dem Ausbau staatlicher Kleinstkinder-Verwahranstalten auch die (im öffentlichen Dienst) zum Teil bereits eingeführten Frauenquoten und das Ehegattensplitting. Mit diesem Steuervorteil werden nicht nur Alleinverdienerfamilien gefördert, sondern auch Doppelverdiener, selbst wenn keine Kinder zu versorgen sind. Der Staat sponsert gutsituierte Hinzuverdienerinnen und bewirkt damit, daß immer weniger ihrer unterlegenen Konkurrentinnen den Mann fürs Leben finden können, weil die vermehrt berufstätigen Mütter den potentiellen Familienversorgern und Heiratskandidaten die Jobs wegnehmen.

Die Regierung kann etwas tun, damit die Geschlechter wieder zusammenfinden: Sie bräuchte nur die Frauenpolitik einzustellen, die familienpolitischen Leistungen zu streichen und eine starke Kinderkomponente in die Rentenversicherung einzubauen.

Die Debatte über Familienpolitik bewegt sich in einem Klima der Denkverbote und daher unter völliger Verkennung der Geschlechtsrollenpolarität, wonach die Frau so gut wie immer nach oben heiratet. Die Tatsache, daß die Möglichkeiten der Frau als Folge gelebter Gleichberechtigung fast alle Lebensentwürfe einschließt, kann nicht darüber hinwegtäuschen: An der Polarität der Geschlechtsrollen hat sich nichts geändert. Darauf hat in einem Zeit-Interview der Soziologe Hans-Peter Blossfeld hingewiesen, der 2008 das Nationale Bildungspanel NEPS (eine großangelegte empirische Untersuchung) gründete und bis Sommer 2012 auch leitete. Anfang August 2012 befragte Die Zeit den scheidenden Leiter der vom Forschungsministerium geförderten Studie nach ersten Ergebnissen. Es kamen durchweg Antworten, die Gleichstellungsfanatiker ernüchtern könnten, wenn sie diese zur Kenntnis nähmen. Blossfeld: „Wer ein Gleichziehen der Frauen vermutet, der kann die Daten nicht richtig lesen. In der Mitte des Lebens, wenn die Männer Karriere machen, machen die Frauen Teilzeit.“

Selbst Karrierefrauen suchen auf dem Heiratsmarkt nach einem Versorger, argumentiert Blossfeld, der als Professor von der Uni Bamberg nach Florenz wechselte: „Ein häufiges Muster war, daß die Männer sich bei der Partnerwahl vom Bildungsniveau nach unten und die Frauen nach oben orientierten. Um ein Beispiel zu geben: Ein Arzt heiratet eine Krankenschwester, das war und ist ein gängiges Muster, bis heute. Wenn aber eine Ärztin einen Pfleger heiratet, ist das überraschend, dann wird sie erklärungspflichtig den Eltern und Freunden gegenüber, weil es nicht der Norm entspricht. Man sollte denken, im Zuge der Bildungsexpansion hätte sich das geändert. Hat es aber nicht. Das Verhalten von Männern und Frauen bei der Partnerwahl ist weitgehend gleich geblieben. Das kann nicht gutgehen.“

Die öffentliche Meinung macht für solche Beharrungskräfte selbstverständlich überwiegend die Männer verantwortlich, denen das Selbstbewußtsein fehle, um mit einer erfolgreichen Frau an ihrer Seite klarzukommen. Das Zahlenmaterial der NEPS-Studie legt laut Blossfeld aber das Gegenteil nahe. Da vom Mann erwartet werde, bei der Partnersuche auf die Frauen zuzugehen, sei er flexibler. Allerdings ohne Erfolg, denn die besser gebildeten und besser verdienenden Frauen ließen sie „abblitzen“ und suchten weiter – oft bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Blossfelds Fazit: „Der Widerstand gegen das Aufbrechen der traditionellen Rollenmuster ist eher bei den Frauen anzusiedeln als bei den Männern.“

Daß ein Kandidat genügend Geld verdient, ist für die Damenwelt eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung. Die Frauen wollen „eine gute Partie machen“, folglich müssen die Männer ihnen „etwas bieten“. Wenn sie die Dinge nicht aus der männlichen Brille betrachten, haben sie mit diesem Arrangement keinerlei Probleme. Denn während der Mann sein Prestige durch berufliche Erfolge erarbeiten muß, ist die gesellschaftliche Stellung der Frau mehr oder weniger vorgegeben – auch heute noch. Ihren Status erhält die Frau überwiegend per Zuschreibung: Für sie ist nicht das selbstverdiente Geld entscheidend, sondern ihre Herkunft (der Status ihrer Eltern), das Einkommen des Mannes, ihre körperliche Attraktivität, ihr Charme, und ob sie Kinder hat und ihnen eine gute Mutter ist. Die Frau hat daher wenig Veranlassung, im Berufsleben aufzusteigen, ist aber auch vor einem tiefen Absturz weitgehend gefeit.

Die kanadische Psychologin Susan Pinker verwirft in ihrem Buch „Begabte Mädchen, schwierige Jungs“ ebenfalls die gern geglaubte These von der beruflichen Diskriminierung der weiblichen Bevölkerung: „Die gleichen Chancen führen nicht notwendigerweise zu gleichen Ergebnissen. Genaugenommen läßt gerade die Tatsache, daß Frauen Wahlmöglichkeiten haben, ihre Präferenzen besonders deutlich hervortreten.“

„Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“, scherzte der österreichische Sozialphilosoph Paul Watzlawick. „Es gibt keine Probleme, nur Lösungen“, trällerte John Lennon in einem Song („Watching the Wheels“). Der Staat könnte durchaus etwas tun, damit die Geschlechter wieder zusammenfinden: Er bräuchte nur die Frauenpolitik einzustellen, die familienpolitischen Leistungen (mit Ausnahme der Kinderfreibeträge) zu streichen und eine starke Kinderkomponente in die Rentenversicherung einzubauen.

 

Thomas Rettig, Jahrgang 1961, ist Diplomsoziologe mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Familiensoziologie. Er arbeitete als Redakteur beim Evangeliums-Rundfunk (ERF) in Wetzlar und ist seit 1997 selbständig im Bereich Internetmarketing.

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