© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Wiener Soziologische Gesellschaft: Loyale Gesellschaftsreformer
Burgfrieden im Vordergrund
(dg)

Die 1907 ins Leben gerufene „Soziologische Gesellschaft in Wien“ war die erste ihrer Art im deutschsprachigen Raum. Gegründet von dem „kathedersozialistisch“ orientierten Nationalökonomen Rudolf Goldscheid, bot sie bis zu ihrer Auflösung 1934 nicht nur der sich erst formierenden Soziologie einen außer-universitären Rückhalt, sondern übte mit ihrem Vortragsbetrieb auch unmittelbare Wirkung vornehmlich auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Republik Österreich aus, da zu ihren Mitgliedern und Referenten Gesellschaftsreformer wie Max Adler und einflußreiche Gelehrte wie der spätere Harvard-Lehrer Joseph Schumpeter, im Jahr 1919 kurzzeitig österreichischer Finanzminister, zählten. Obwohl die Gesellschaft mehrheitlich links stand und Goldscheid sie auf eine „völkerverständigende und pazifistische Grundeinstellung“ verpflichtete, vermied man während des Ersten Weltkrieges kritische Stellungnahmen zur Politik der Mittelmächte. Goldscheid wollte keineswegs eine intellektuelle Opposition im Habsburger Machtzentrum aufbauen, wie Gudrun Exners Studie zum Vortragsprogramm zwischen 1914 und 1918 belegt (Zeitgeschichte, 3/2013). Selbst konstruktive Erörterungen der Kriegslage, etwa zu Plänen einer deutsch-österreichischen Union („Mitteleuropa“), standen eher selten zur Debatte.

www.verein-zeitgeschichte.univie.ac.at

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