© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Aufräumen mit der „Faulen Grete“
Vor 600 Jahren beendete Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg die Anarchie des Raubrittertums in Brandenburg und gewann die Mark für die Hohenzollern
Jan von Flocken

Im Mittelalter ruhten zur Winterzeit normalerweise alle Kampfhandlungen. Um so überraschender fielen im Februar 1414 die wuchtigen Schläge des Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg gegen die Festungen der brandenburgischen Raubritter. Der Hohenzoller Friedrich war zweieinhalb Jahre zuvor vom Kaiser zum Landeshauptmann der Mark Brandenburg ernannt worden, um dort die staatliche Ordnung und die allgemeine Sicherheit wiederherzustellen.

Anfang des 15. Jahrhunderts stellte die Mark Brandenburg quasi einen rechtsfreien Raum dar. Nach dem Aussterben des einheimischen Herrschergeschlechts hatte Kaiser Karl IV. das Land seinem Sohn Wenzel und später dessen Cousin Jobst von Mähren übereignet. Beide hielten sich nur außerhalb Brandenburgs auf, preßten enorme Steuern heraus und ließen ansonsten der Anarchie freien Lauf. Raubritter durchzogen das Land und brachten den Handel fast zum Erliegen. Die Übelstände erreichten einen Höhepunkt, als der berüchtigte Ritter Dietrich von Quitzow im Herbst 1410 ohne Fehdeansage die Stadt Berlin überfiel und zahlreiche Häuser in Brand stecken oder ausplündern ließ. Quitzows Familie übernahm im Stile eines Mafia-Clans binnen weniger Jahre fast sämtliche strategisch wichtigen Stützpunkte in der Mark.

Wirkungsvolle Angriffe mit neuer Artillerietechnik

Nach dem Tod des Markgrafen Jobst Anfang 1411 fiel Brandenburg an den römisch-deutschen Kaiser Sigismund zurück. Ihm war das im Land vorherrschende Chaos wohl bewußt und deshalb ernannte er im Sommer 1411 den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg zum „rechten Obristen und allgemeinen Verweser und Hauptmann der Mark“. Dieser vierzigjährige Fürst war politisch und militärisch außerordentlich fähig und hatte schon 1396 Sigismund im Kampf gegen die Türken unterstützt. Als er im Juni 1412 nach Brandenburg kam, empfingen ihn die meisten Städte mißtrauisch und der Landadel offen feindselig. Kaspar Gans zu Putlitz, Führer des altmärkischen Adels, verspottete Friedrich als „Tand von Nürnberg“; Dietrich von Quitzow meinte: „Und wenn es ein Jahr lang Nürnberger regnete, so sollen sie doch in unserer Mark nicht aufkommen.“

Der Hohenzoller erwies sich indes als versierter Diplomat. Er gewann das Vertrauen der Stadtbürger durch ein leutseliges Betragen, vor allem aber durch den Verzicht auf geplante Steuererhöhungen. Weiterhin verbündete er sich mit mehreren benachbarten Landesherren wie dem Erzbischof von Magdeburg und den Herzögen von Mecklenburg, deren Bevölkerung unter den Raubzügen der Quitzows ebenso zu leiden hatte. Seinen Feldzug gegen die aufsässigen märkischen Adligen plante er mehr als ein Jahr lang.

Als Friedrichs Streitmacht Anfang Februar 1414 von der Stadt Rathenow aufbrach, hatte er neben dem ungewöhnlichen Zeitpunkt seines Angriffs eine weitere Überraschung parat. Er setzte eine Waffe ein, die vor 600 Jahren noch in den Kinderschuhen steckte: Kanonen. Mit dieser ebenso schwerfälligen wie effizienten Artillerie schlug er gleichzeitig in vier Richtungen los. Die Burgen Plaue, Golzow, Beuthen an der Nuthe und Friesack konnten den gegnerischen Geschützen trotz ihrer bis zu fünf Meter dicken Mauern nicht lange standhalten. Friesack und Plaue kapitulierten bis zum 26. Februar, Golzow und Beuthen kaum zwei Wochen später.

Die „Donnerbüchsen“ hatten mit ihren durch Pulverladungen verschossenen riesigen Steinkugeln ganze Arbeit geleistet. Geradezu legendär wurde damals die „Faule Grete“. Sie war, wie der Name nahelegt, zwar schwer beweglich (es brauchte 30 Fuhrwerke mit 150 Pferden, um sie samt Lafette in Stellung zu bringen), aber dafür sehr wirkungsvoll. Das Geschütz wog 4,6 Tonnen und verschoß aus einem 2,5 Meter langen Rohr Steinkugeln von 150 Kilogramm Gewicht.

Derart von einer neuartigen Waffentechnik überwältigt, mußten sich die Quitzows Friedrich von Hohenzollern unterwerfen. Der behandelte sie recht gnädig, um sich im Land nicht eine Gruppe von latenten Feinden zu schaffen. Nur die schlimmsten Raufbolde wie Werner von Holtzendorff und Dietrichs Bruder Johann von Quitzow wurden ihrer Güter für verlustig erklärt. Auf einem glanzvollen Landtag in Tangermünde verkündete Friedrich im März 1414 einen allgemeinen Landfrieden für die geplagte Mark. Als Belohnung für diesen unerwartet raschen Erfolg ernannte ihn der Kaiser im Folgejahr zum Markgrafen und Kurfürsten. Die 500 Jahre währende Herrschaft der Hohenzollern in Brandenburg begann.

Jan von Flocken ist Autor des Buches „Friedrich I. von Brandenburg. Krieger und Reichsfürst im Spätmittelalter“, Berlin 2009.

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