© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Homer Simpson trifft Pythagoras
Der Journalist Simon Singh über die mathematischen Geheimnisse der beliebten Fernsehfiguren
Henning Hoffgaard

Seit fast 25 Jahren gibt es die beliebteste Zeichentrickfamilie der Welt bereits. Die „Simpsons“ sind Kult. Kaum eine andere Sendung versteht es so wunderbar, von der Dreijährigen bis zur Großmutter wirklich jeden in seinen Bann zu ziehen. Wer über die Abenteuer von Homer, Marge, Bart, Lisa und Maggie nicht wenigstens schmunzeln kann, hat kein Herz. Und solange es schon die „Simpsons“ gibt, versuchen Wissenschaftler, Experten und Journalisten, hinter die Fassade der gelben Figuren zu schauen.

Ist da nicht doch mehr als nur Slapstick? Hat die Serie nicht doch mehr Tiefgang, als der normale Fernsehzuschauer denkt? Spätestens seit „Die Simpsons und die Philosophie“ (2007) wissen wir, daß zwischen dem trotteligen Familienoberhaupt Homer und Friedrich Nietzsche kaum ein Blatt Papier paßt. Wer wie Homer Simpson das philosophische Allmachtsparadoxon in die Frage „Kann Gott einen Burrito so heiß machen, daß er ihn selbst nicht mehr essen kann?“ kleidet, besitzt wahrscheinlich mehr Weisheit als jeder gelehrige Philosophiestudent im 23. Semester.

Daß die Simpsons nicht nur Kant können, sondern auch Pythagoras, hat nun der BBC-Wissenschaftsjournalist Simon Singh nachgewiesen. Auf 318 Seiten entschlüsselt Singh in „Homers letzter Satz“ die mathematischen Geheimnisse der Serie und kommt dabei zu erstaunlichen Ergebnissen.

So spielt etwa die Zahl Pi (π) eine immer wiederkehrende Rolle. Sei es nun wenn der verplante Professor Frinks einen Saal voller lärmender Wissenschaftler mit dem Satz „Pi ist genau 3“ zum Schweigen bringt oder Homer als Torten werfender Superheld einem seiner Opfer entgegenruft: „Wir alle wissen, was πr² bedeutet, aber heute bedeuten Kuchen Gerechtigkeit.“ Der Wortwitz erschließt sich in diesem Fall allerdings nur über die englische Übersetzung von Kuchen („Pie“).

Viele mathematische Witze verstehen nur Eingeweihte

Auch die Statistik kommt nicht zu kurz. In der Folge „The Lisa Series“ aus dem Jahr 2010 schafft es die hochbegabte Tochter, das örtliche Jugend-Baseballteam aus dem Tabellenkeller zu führen, indem sie sich völlig auf die Macht der Statistik verläßt. Amerikaner lieben Statistiken. Gerade, wenn es um Sport geht. Die „Simpsons“ persiflieren auf diese Weise auch den Wahn um die nackten Zahlen. Ein Kommentator in der Folge beschreibt die Siegesserie dann auch folgerichtig als „Triumph der Datenverarbeitung über den menschlichen Geist“. Lisa geht dabei so weit, daß sie ihren Bruder Bart aus dem Team wirft, weil er gegen die statistische Wahrscheinlichkeit gehandelt hat, womit er jedoch Erfolg hatte.

Singh führt Dutzende solcher Beispiele auf, die zeigen, wie raffiniert Zahlentheorien, komplexe Gleichungen und mathematische Gesetzmäßigkeiten in die Serie einfließen. Er beantwortet auch die Frage, warum die Macher der Serie das überhaupt können. Die Antwort: Ein bedeutender Teil der Drehbuchautoren hat Mathematik studiert. Gleichzeitig sind sie so kreativ, dem Zuschauer dies nicht zu offensichtlich auf die Nase zu binden. Und das ist auch das Problem: Viele Witze verstehen dann auch nur andere Mathematiker. Was zu der Frage führt: Warum sollte man sich ein Buch kaufen, von dessen Relevanz man bisher gar nichts wußte. Singh versucht zwar anschaulich zu schreiben, verheddert sich an einigen Stellen jedoch zu sehr in mathematischen Spitzfindigkeiten. Interessant ist es dennoch. Zumal der mit einem gesunden Maß Selbstironie ausgestattete Autor einige Seiten mit Mathematik-Witzen eingebaut hat, die dem Leser zeigen, welcher Humor dahintersteckt. Kostprobe: „Was sagt die Zahl 0 zur Zahl 8? Schöner Gürtel!“

Je weiter man im Buch vorankommt, desto tiefgründiger wird der Humor. Der Witz „In Darmstadt wurde neulich ein Epsilon entdeckt, das ist so klein, wenn man es durch zwei teilt, wird es negativ“ dürfte 99,95 Prozent der Leser ziemlich ratlos zurücklassen.

Im letzten Drittel des Buches beschäftigt sich Singh mit der Serie Futurama, die ebenfalls von den „Simpsons“-Machern produziert wird. In der fiktiven Welt des Jahres 3000 treiben die Autoren die mathematischen Anspielungen auf die Spitze. Futurama ist wohl die einzige Serie der Welt, für die ein eigenes mathematisches Theorem erfunden wurde. Am Ende bleibt also die Erkenntnis: Die „Simpsons“ sind weit mehr als oberflächliche Unterhaltung. Aber den Mathe-Unterricht sollte man deswegen lieber nicht schwänzen.

Die Simpsons: täglich auf Pro Sieben um 18:10 und 18:40 Uhr

Simon Singh: Homers letzter Satz. Die Simpsons und die Mathematik. Hanser Verlag, München 2013, gebunden, 318 Seiten, 21,50 Euro

Foto: Die Simpsons auf ungewohntem Terrain: „Triumph der Datenverarbeitung über den menschlichen Geist“

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