© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/14 / 28. Februar 2014

Komm, spiel mit mir
Mühle, Dame & Co.: Alte Brettspiele sind so hip wie lange nicht mehr
Christian Rudolf

Als die Welt noch analog war, fuhren wir mit der Straßenkarte auf dem Beifahrersitz sicher ans Ziel, schrieben die Abfahrtszeiten des Busses vom Haltestellenaushang ab, kauften unsere Zugfahrkarten am Bahnhof, wußten die Telefonnummern unserer Bekannten auswendig, rechneten blitzschnell im Kopf nach, ob man uns beim Wechselgeld übervorteilt hatte, blickten ins Wetter statt auf die Smartphone-App, um nicht zu kühl gekleidet zu sein, gaben unserer abgeliebten Flamme den Laufpaß nicht simsend, sondern persönlich, hoben unser Geld bei dem brummeligen Postbeamten am Schalter ab. Und spielten mit unseren Kindern oder Hausfreunden um den Tisch versammelt ein strom- und elektronikloses Brettspiel.

Das Spielfeld als Metapher für das Leben

Mensch, ärgere dich über den Fortschritt der Technik nicht! Digitales Leben kann echt angenehm sein. Auch PC-Spiele mit ihren virtuellen Phantasielandschaften sind faszinierend. Doch die uns allen noch von Kindesbeinen an bekannten überlieferten Brettspiele üben den eigentümlichen Reiz des Erprobten, Vertrauten und Reellen aus. Schnell sind sie erklärt, im Nu sind sie aufgebaut. Sie verbinden die Spieler in gelöster familiärer Atmosphäre im Hier und Jetzt untereinander als auch über die Generationen hinweg. Schon die Urgroßeltern lernten über Dame, Mühle und Halma gebeugt, heiter den Wettkampf aufzunehmen, jähes Pech zu ertragen wie an jähem Glück nicht übermütig zu werden.

Spiegelt das bedruckte Pappfeld nicht den Lebensplan? Der Verlauf ist unvorhersehbar, Gelingen und Unglück bunt gemischt, nichts von großer Dauer, und wenn alles zu Ende ist, heißt es: Warum haben wir uns nur so aufgeregt? Es war doch alles nur ein Spiel.

Die bemalten Holzfigürchen oder -steinchen versuchen mit Schnelligkeit, Raffiniertheit und Vorteilsnahme den Siegeskranz zu erringen, ganz wie im richtigen Leben. Da wähnt sich einer schon auf der Zielgeraden, doch ein Konkurrent eilt ihm nach, versperrt ihm den Weg, bringt ihn zu Fall. Ein dritter startet hoffnungsvoll, alle Wege stehen ihm offen, doch Leichtsinn führt ihn in eine Falle, er sieht sich unter Zugzwang gesetzt. Ein Tüchtiger schreitet über Träge hinweg, hat Erfolg, verdoppelt seine Macht. Ein Schlauer wiederum macht sich Wege zunutze, die ein anderer vorgebahnt hat. Ein weiterer benutzt seine Mitspieler, um selber fortzukommen. Da wirft ein Schicksalsschlag jemanden aus der Bahn, zwingt ihn zur Pause. Kaum gesundet, nimmt er den Lauf wieder auf, und unerwartet günstige Umstände machen sein vormaliges Unglück mehr als wett. Ein jeder versucht durchzukommen, nicht selten hart am Rande der Regeln. Wie haben gerade Kinder ihre helle Freude daran, spielerisch das Leben zu erlernen und gegenüber den Erwachsenen wirklich gewinnen zu können! Weil sie so einfach sind und dabei so lebensnah, erfreuen sich die alten Brettspiele ungebrochener Popularität. Die Klassiker ruft die JF hier ins Gedächtnis.

 

MENSCH ärgere dich nicht

Der Klassiker mit hohem Spaßfaktor

Anleitung: In der gängigsten Variante spielen bis zu vier Spieler darum, der erste zu sein, der seine vier Männchen in Sicherheit bringt. Zu Spielbeginn muß jeder reihum würfeln, so lange, bis der Würfel auf Sechs fällt. Wer im Spielverlauf eine Sechs würfelt, darf gleich nochmal würfeln. Das Besondere am Spiel ist das „Rausschmeißen“: Trifft ein Figürchen auf ein durch eine gegnerische Figur besetztes Feld, fliegt diese aus dem Spiel und muß von vorn beginnen.

 

HALMA

Etwas Kniffeliges für lange Familienabende

Anleitung: Beim bekannteren Sternhalma spielen zwei bis sechs Spieler darum, der erste zu sein, der die eigenen Figürchen (Halmakegel) aus einem Sterneneck in das gegenüberliegende bringt. Gegnerische Figuren werden dabei nicht geschlagen, sondern übersprungen. Es gilt, möglichst lange Sprungfolgen zu bauen oder zu finden oder solche dem Gegner zu verstellen, wobei eigene und fremde Figuren übersprungen werden dürfen. Auch in der Gegenrichtung.

 

MÜHLE

Den Gegner schlagen oder einkesseln

Anleitung: Zwei Spieler spielen mit jeweils neun Steinen darum, entweder durch das Bilden von Mühlen (drei Steine in einer Reihe) so viele gegnerische Steine zu schlagen, daß dem Mitspieler nur noch zwei übrigbleiben und er keine eigene Mühle mehr legen kann, oder die Steine der anderen Farbe so zu blockieren, daß diese sich nicht mehr rühren können. Wer es schafft, eine Zwickmühle zu bauen, das heißt bei jedem Zug eine Mühle schließt, hat leichtes Spiel.

 

DAME

Die eiserne Lady steckt alle in die Tasche

Anleitung: Das Spielbrett entspricht mit 8 x 8 Feldern einem Schachbrett. Jeder der zwei Spieler verfügt über zwölf Steine, die sämtlich auf den dunklen Feldern diagonal und nur vorwärts operieren. Ziel ist es, gegnerische Steine durch Überspringen zu schlagen und die gegenüberliegende Grundlinie zu erreichen. Steine, die bis dorthin vordringen, werden zur Dame (zwei Steine übereinander). Die Dame darf beliebig weit vorwärts und rückwärts ziehen und springen.

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