© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Die wahre Macht der Monopolisten
Internethandel: Die marktbeherrschende Stellung einiger Unternehmen verzerrt zunehmend den Wettbewerb
Markus Brandstetter

Wer in den achtziger Jahren in Deutschland einen neuen Telefonanschluß wollte, mußte darauf sechs Monate warten. Telefonieren war teuer, aber niemand konnte etwas dagegen tun, denn die Post besaß ein Monopol. Nicht anders war es bei Strom, Gas und Wasser, die von den Stadtwerken kamen, die ebenfalls über Monopole verfügten, was den Stadtwerken volle Kassen und den Verbrauchern hohe Preise bescherte.

Monopole gibt es schon lange, und sie sind nie gut für die Verbraucher. Nun lautet eine der wichtigsten Theorien der Volkswirtschaft, daß in einem freien Markt keine Monopole aufkommen können, weil Freihandel und Wettbewerb das gar nicht erst zuließen.

Das wäre schön, aber ganz so ist es offenbar nicht, denn die zunehmende Marktmacht von Internet- und Elektronik-Giganten wie Facebook, Google, Apple, Ebay und Amazon zeigt, daß es auch in relativ freien Märkten zu Quasi-Monopolen kommen kann, und die schaden dem Verbraucher. Google dominiert unangefochten seit über zehn Jahren den Markt für Suchmaschinen. Über 90 Prozent liegt der weltweite Marktanteil von Google, in Spanien oder Frankreich sogar bei 95 Prozent. Wer von Google nicht gefunden wird, existiert im Internet nicht. Aber Google bietet einem nicht nur – auf den ersten Blick kostenlose – Suchergebnisse im Internet, sondern es betreibt im Hintergrund stillschweigend eine umfassende Vorauswahl bei diesen Resultaten und führt den Nutzer zu gerade einmal drei Prozent aller möglichen Seiten.

Und siehe da: Genau die Unternehmen, die von Google „gefunden“ werden, haben nicht selten Werbeverträge mit dem Suchmaschinen-Anbieter, die garantieren, daß sie bei jeder Suche ganz oben landen. Um seine Suchmaschine herum hat Google einen Kranz anderer Dienste und Produkte gestrickt, der vom eigenen Internet-Browser über satellitengestützte Karten bis zu eigenen Handys, einer Computerbrille und nun sogar zu intelligenten Hausthermostaten reicht.

Diese Mischung aus unleugbarer technischer Kompetenz, gnadenlosem Marketing und andauernden Innovationen hat dem Unternehmen 2013 einen Jahresumsatz von 43 Milliarden Euro, einen Gewinn von über neun Milliarden Euro eingebracht. Google erlöst im Markt zwar um ein Viertel weniger Geld als Siemens, aber das Unternehmen verdient mehr als doppelt soviel und verfügt über die dreifache Marktkapitalisierung (Börsenwert).

Ganz ähnlich verhält es sich beim Internet-Warenhaus Amazon. Da sprudeln die Gewinne bislang zwar nicht so kräftig, aber das ist auch gar nicht das Ziel des Unternehmens. Amazon will nämlich weltweit die Märkte soweit aufrollen, bis – zumindest beim Onlinehandel – ohne Amazon gar nichts mehr geht.

Viele Händler kämpfen mit den Verkaufskonditionen

Die Vision, die Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, hat, ist ebenso einfach wie fantastisch: Wie der Amazonas – daher der Name – sollte sein Unternehmen praktisch allen Menschen auf der Erde alles, was sie brauchen, von der Wintersocke bis zum Fernseher, nur Stunden nach der Bestellung im Internet quasi vor die Tür schwemmen. Und dazu ist es auch gar nicht mehr weit hin. Zwanzig Jahre nach seiner Gründung arbeiten heute bei Amazon weltweit 110.000 Menschen und erwirtschaften einen Umsatz von 54 Milliarden Euro, aber nur 199 Millionen Euro Gewinn.

Das ist jedoch kein Versagen, das ist Methode. Amazon-Chef Bezos ist eine moderne Mischung aus Henry Ford und John D. Rockefeller – ihm geht es darum, den Marktanteil in so vielen Ländern wie möglich maximal auszuweiten. Er will fast den gesamten Online-Handel auf der ganzen Welt abwickeln, und das geht nur über radikale Billigpreise und Verkaufskonditionen, die den Wettbewerbern kaum noch Luft zum Atmen lassen.

Beim Buchhandel ist Amazon dies fast schon gelungen, da hat in Deutschland der stationäre Buchhandel von 2008 bis 2012 fast zehn Prozent seines Umsatzes an die Internetbuchhändler und allen voran Amazon verloren. 2013 ging es minimal wieder nach oben.

Nun ist Amazon aber nicht nur selbst Online-Händler, sondern bietet Tausenden von anderen Händlern gegen Prozente seine Seiten als Marktplatz an, wo diese wiederum ihre eigenen Internet-Läden betreiben können. Dies und Amazons zunehmende Marktmacht kann in Extremfällen für Lieferanten und Amazon-Partner über Nacht zur Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz führen, wenn der amerikanische Riese sie aus seinem Angebot nimmt oder seinen Subhändlern den Vertrag kündigt.

Was passiert, wenn ein mächtiges Internet-Unternehmen eine beherrschende Machtstellung aufbaut und dann seine Macht ausspielt, zeigt der Fall Ebay. Das Auktionshaus nuttz seine Rolle als Quasi-Monopolist voll aus. Seit Jahren schon steigen die Gebühren für Anbieter. Erst im Februar wurden sie wieder erhöht, was es für Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Ebay-Verkäufen verdienen, immer schwieriger macht.

Es ist zu vermuten, daß die Marktkonzentration unter Internet- und Technologieunternehmen noch jahrelang fortschreiten wird, was zu mehr Quasi-Monopolen auf manchen Gebieten führen wird. Doch dies ist nicht das Ende der Fahnenstange, wie die Geschichte zeigt. Nach dem Ersten Weltkrieg war jedes zweite in den USA verkaufte Auto ein Ford, heute liegt der Marktanteil von Ford bei mageren fünf Prozent, während Rockefellers übermächtige Standard Oil später von der US-Regierung zerschlagen wurde.

 

Skype und Facebook

Nicht nur beim klassischen Online-Handel haben sich marktbeherrschende Unternehmen herausgebildet. Auch in den sozialen Netzwerken und bei der Internettelefonie gibt es mittlerweile Quasi-Monopolisten.

So werden über den zu Microsoft gehörenden Chat- und Telefondienst Skype derzeit etwa 90 Prozent aller über das Internet geführten Telefongespräche abgewickelt. Das Unternehmen nutzt diese Stellung, um die Datenschutzrichtlinien immer weiter zu verwässern. Erst Ende Februar erhielten die Skype-Nutzer eine E-Mail, in der sie über die neuen Nutzungsbedingungen des Telefondienstes informiert wurden. Skype darf nun alle Nachrichten auf externen Servern speichern. Was dann damit passiert, weiß niemand.

Ähnlich wie beim sozialen Netzwerk Facebook (Marktanteil: 70 Prozent) dürften die Daten der Nutzer vor allem für Werbezwecke genutzt werden. Facebook konnte so seinen Umsatz und Gewinn im vergangenen Jahr deutlich steigern. Den Konkurrenten WhatsApp kaufte Facebook im Februar einfach auf.

 

Die wichtigsten Internet-Unternehmen und ihr Einfluß

iTunes

Wer ein Produkt von Apple besitzt, ist gefangen in einem goldenen Käfig: Er muß Programme und Inhalte über iTunes oder den App-Store beziehen.

Marktanteil: 100%

Börsenwert: 340 Mrd. € allein Marken-wert 185 Mrd. €

Konkurrenten: Samsung, Nokia

 

Google

Seit Jahren wächst der Marktanteil von Google. Heute ist der Datensammler die wichtigste Suchmaschine im Internet.

Marktanteil: 70%

Börsenwert: 248 Mrd. €

Konkurrenten: Yahoo, Bing

 

Ebay

Das Online-Auktionshaus Ebay hat seinen Marktanteil auf fast 95 Prozent gesteigert. Die Auktionsge- bühren steigen regelmäßig.

Marktanteil: 95%

Börsenwert: 55 Mrd. €

Konkurrenten: Hood, Auvito

 

Amazon

Amazon hat alles. Bücher, E-Zigaretten, Kleidung. Anbieter wie Verlage sind aufgeschmissen, wenn das Handelshaus ihr Angebot ignoriert.

Marktanteil: 50%

Börsenwert: 120 Mrd. €

Konkurrenten: Otto, Weltbild, Zalando

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