© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Die Wiedervereinigung war ein großer Segen
Dokumentarfilm: In „Mitgift“ zeigt Roland Blum die Entwicklung in Mitteldeutschland von DDR-Zeiten bis heute
Claus-M. Wolfschlag

Roland Blums Dokumentarfilm „Mitgift“ macht anhand von Umweltsünden des DDR-Systems und der Sanierungsbemühungen seit 1990 anschaulich, wie sehr die deutsche Wiedervereinigung auch zur Rettung vieler historischer Altstädte beitrug und für die Umwelt ein Segen war. Der Film präsentiert einerseits Beobachtungen, die Blum noch in der untergehenden DDR 1990 einfangen konnte, zeigt zudem Material eines zehn Jahre später erfolgten Besuchs und führt schließlich zu zahlreichen Wiederbegegnungen in der Gegenwart. Die Entwicklung der letzten knapp 25 Jahre wird so plastisch vermittelt.

Blums Aufnahmen von 1990 zeigen ein verschlissenes Land. Man sieht aus heutiger Sicht fremdartige Bilder aus Bitterfeld, Güstrow oder der Schorfheide. Der Rußschleier der Braunkohle hatte sich nicht nur auf Barockfassaden, sondern das ganze Land gelegt. Menschen litten unter Atemwegserkrankungen, Pflanzen ließen im Quecksilbernebel die Köpfe hängen, Bauschutt und Sondermüll wurden nur notdürftig mit Erde zugedeckt, das Grundwasser wurde durch Schweinegülle aus der industrialisierten Massentierhaltung vergiftet, aus Dresdner Wasserhähnen drang beißender Chlorgeruch.

Blum widerspricht der häufig geäußerten Auffassung, die Revolution in der DDR sei allein aus materiellen Begehrlichkeiten erfolgt. Vielmehr hätten auch ökologische Gründe eine Rolle gespielt. Tatsächlich war die desolate Umwelt eine der Ursachen, wegen derer sich die Opposition in der DDR formierte. Die verfehlte DDR-Industriepolitik und das sich daraus ergebende ökologische Desaster war vielen Bürgern bewußt gewesen. Doch war es nicht unproblematisch, dies kritisch zu thematisieren. Journalisten konnten erst ab 1990 frei über die Umweltsünden des Systems berichten.

Der langsam verlaufende Prozeß der Umweltvergiftung ließ so manche Bürger sich an die Zustände gewöhnen und in Resignation oder Ignoranz flüchten. Opposition bildete sich hingegen vor allem in Kirchenkreisen. Allerdings war das Beharrungsvermögen des politischen Apparats enorm. Viele kommunistische Funktionäre erkannten zwar auch die fatale ökologische Bilanz ihrer Herrschaft, doch sie sahen darüber in ihrem Machtwahn hinweg. Wenn der Kommunismus erst einmal gesiegt habe, dann würde man sich auch der Umweltbelange annehmen, hörten die jungen Öko-Aktivisten der DDR. Vorher sei aber eine Durststrecke zu überbrücken, in der erst der Kapitalismus in einer Materialschlacht durch Mehrproduktion überflügelt werden müsse. Als dieses Konzept offensichtlich im Scheitern begriffen war, machte sich Angst unter den Funktionären breit. Dies führte zu Aufweichung und Verunsicherung im politischen Führungsapparat, somit zur Voraussetzung des Revolutionserfolgs von 1989.

Die Wiedervereinigung erweist sich in „Mitgift“ als Erfolgsgeschichte, auch wenn die Problematik der Arbeitslosigkeit nicht verschwiegen wird. Die positive Botschaft des Films tröstet deshalb auch über die ausgesprochen konventionelle Darstellung ohne kunstvolle Kameraführung hinweg. Man sieht Adler brüten, einen Biobauern mit seiner Ziegenherde, die rekonstruierte Dresdner Frauenkirche, sanierte Altstadthäuser, eine von der Natur zurückeroberte Zonengrenze und eine Landschaft, die ihre Selbstheilungskräfte wieder aktiviert hat.

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