© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Ungeschöntes zum Mißfallen der Redaktionen
Der Rückblick des „Stern“-Reporters Randy Braumann gewährt interessante Einblicke ins journalistische Geschäft
Ralph Meese

Wie oft Randolph Braumann hätte schon tot sein müssen, wissen allein die Götter“, schrieb der Berliner Tagesspiegel einmal über den Stern-Kriegsreporter. In der Tat war der heute 79jährige für seine deutschsprachigen Leser überall dabei, wo es brannte: im Kongo und der abtrünnigen Biafra-Provinz, in Pakistan, Jordanien, Nordirland, Vietnam und Kambodscha. Er interviewte Diktatoren und Herrscher wie Idi Amin, Mobutu Sese Seko, Saddam Hussein, Muammar al Gaddafi, Kaiser Haile Selassie oder „Papa Doc“, und beschrieb ihre Länder so, wie er sie erlebte. Sehr zum Leidwesen der immer mehr ins Linksliberale rutschenden Redaktion. Seinerzeit konnte aber Stern-Gründer und -Herausgeber Henri Nannen noch durchsetzen, daß gedruckt wurde, was die Reporter schrieben und nicht die Weltsicht der Hamburger Redakteure. Mit einer Ausnahme: Die Tatsache, daß Israel im Sechstagekrieg Napalm gegen flüchtende arabische Zivilisten eingesetzt hatte, ging auch Nannen zu weit. Statt im Stern erschienen Reportage und Fotos schließlich in Konkret und führten indirekt zur Gründung der Stadtguerilla.

Redaktionen setzten Leben der Reporter aufs Spiel

Es war die Zeit, als die Reporter der großen Zeitschriften bei jedem Großereignis sofort am Ort waren, um Exklusivgeschichten zu liefern. Geld spielte keine Rolle. Wichtig waren gute Kontakte. Als seine größte Leistung bezeichnete Braumann immer die Koordinierung der Stern-Hilfsaktion für das hungernde Äthiopien, die Henri Nannen ohne Einverständnis des Kaisers in Hamburg gestartet hatte. Unter dem Titel „Ach los, scheiß der Hund drauf“ (Weltbuch Verlag) gibt Braumann spannende Einblicke in das Innenleben und die Arbeitsweise der Illustrierten Stern. Die locker geschriebenen Geschichten, aufgeschrieben von dem Journalisten Peter Chemnitz, handeln von lebenslangen Feindschaften und wie sie entstanden, von falschen Fotos und verlogenen Überschriften und ihren fatalen Folgen, aber auch vom Aufstieg und Fall des Stern-Reporters Gerd Heidemann, mit dem Braumann eine lebenslange Freundschaft verbindet.

Was dem heutigen Leser die Lebenserinnerungen eines alten Haudegens bringen? Er staunt, daß fast überall, wo Braumann zehn Jahre lang Kriege erlebt und beschrieben hat, heute noch immer gekämpft wird. Und er verliert die Illusion, daß es beim Stern, als dem damaligen Leitschiff der europäischen Illustrierten, vordergründig um die Wahrheitsfindung ging. Statt dessen zählte schon damals vor allem die verkaufte Auflage. Das bekam auch Braumann zu spüren, als ihn die Palästinenser wegen eines in der Hamburger Endredaktion verfälschten Interviews mit Terroristenführer Georges Habash zum Tode verurteilten, just in dem Moment, als der Reporter von arabischen Freischärlern bewacht im Keller eines jordanischen Hotels hockte.

Auch ein Quentchen Glück gehört zum Kriegsreporterleben. Als während des Vietnamkriegs in Saigon der Tu-Do-Club in die Luft flog, waren 36 Menschen tot, etliche verwundet, darunter Stern-Fotograf Perry Kretz. Nur einer blieb unverletzt: Braumann. Für eine Reportage über die Vietcong in Kambodscha 1970 wäre er wohl ähnlich den US-Reportern Sean Flynn und Dana Stone, die damals entführt wurden und seitdem vermißt sind, ins Verderben gefahren, wenn sich nicht sein Fotograf Herbert Peterhofen diesem Abenteuer verweigert hätte.

In seinen Lebenserinnerungen („Augen auf und durch“, Hamburg 2010) stellte Perry Kretz enttäuscht fest, wie leichtfertig die Stammredaktion das Leben der Reporter in der Krisenregion und die Sicherheit ihrer Quellen aufs Spiel gesetzt hatten. Wenn Kretz im Nachtwort schreibt, „unsereins stirbt aus, denn die kriegführenden Mächtigen verstehen es viel besser als ihre Vorgänger, Medien zu manipulieren“, dann trifft das auch auf Braumann zu. Allerdings hat dieser nach seiner Kriegsreporterzeit auch die andere Seite kennengelernt: als Chefredakteur verschiedener Zeitschriften. Auch davon ist in dem Buch die Rede.

Peter Chemnitz: „Ach los, scheiß der Hund drauf.“ Das Leben des Stern-Kriegsreporters Randy Braumann. Weltbuch Verlag, Dresden 2013, gebunden, 380 Seiten, 16,90 Euro

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