© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Mit dem Staubsauger über den Meeresgrund
Rohstoffknappheit: Der Tiefseebergbau nach Mangan wird kommen
Heiko Urbanzyk

Mitte Februar meldete der Verein Deutscher Ingenieure (VDI), daß schon bald der Rohstoff Zinn knapp wird. Deutschland als viertgrößten Importeur wird dies besonders hart treffen – spätestens ab dem Jahre 2018. Während dies nur ein Beispiel für knapper werdende metallische Rohstoffe ist, suchen Unternehmen und Staaten händeringend Ersatz. Die ausgebeuteten Minen an Land sollen durch Tiefseebergbau ersetzt werden. Dessen Zeit rückt mit großen Schritten näher. Neben Fragen der Rentabilität gilt es auch, Umweltschutzaspekte nicht außer acht zu lassen.

Es klingt wie ein Märchen, das die Industrienationen nur allzu gerne wahr machen möchten: Im Pazifik liegen in 5.000 Metern Tiefe wertvolle Rohstoffe in Kartoffelform sozusagen auf dem Meeresboden herum. Man geht mit einem „Staubsauger“ drüber und erntet, was uns die Jahrmillionen hinterließen. Aber so einfach ist es nicht. Wer hat das Recht, wo zu ernten? Ab wann ist der Abbau wirtschaftlich? Was macht der Mensch durch den Bergbau kaputt?

In internationalen Gewässern verwaltet die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) den Tiefseebergbau. Diese Einrichtung der Vereinten Nationen wurde 1994 auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens von 1982 gegründet. Seit 2000 regelt sie die Vergabe von Lizenzen zur Prospektion und Exploration der sogenannten Manganknollen.

In Deutschland gibt es keine Firma für den Abbau

Manganknollen sind die Märchenkartoffeln, die die Industrie bald benötigen wird. Sie bestehen zu einem hohen Anteil aus Mangan, Kupfer, Nickel und Kobalt. Hinzu kommen Eisen, Gold, Molybdän, Platin, Tellur und Selen. Es sind also wahre Kraftpakete, deren Bestandteile unsere hochentwickelte Gesellschaft für Rechner und Smartphones benötigt. Die Knollen entstanden oft über mehrere Millionen Jahre hinweg.

Bis Ende 2013 sind 17 Lizenzen durch die IMB vergeben worden. Sie berechtigen jedoch nur zur Forschung, nicht zum Abbau. Einer der Lizenznehmer ist seit 2006 die Bundesrepublik Deutschland. Sie darf bis zum Jahr 2021 zwei insgesamt 75.000 Quadratkilometer umfassende Felder im Zentralpazifik erforschen. Das entspricht der Größe von Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Arbeiten erledigt seitdem die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die das Gebiet vermessen und Proben entnommen hat.

Daß die BGR tätig ist, dürfte eine Notlösung darstellen. Denn tatsächlich ist es so, daß es in Deutschland schlichtweg keine einzige Firma gibt, die dem Unterfangen derzeit gewachsen ist. Vielleicht wären hier die Milliardensubventionen für den Bergbau teilweise besser angelegt gewesen. Jetzt könnte es für eine Vorreiterrolle deutscher Ingenieurskunst zu spät sein. Doch wer konnte oder wollte diese Entwicklung vor 30 Jahren erahnen?

Wie Schiefergas oder Ölsande sind auch Manganknollen lange bekannt, jedoch wegen der hohen Gewinnungskosten und fehlender Technik bisher nicht interessant gewesen. Doch nach Ansicht vieler Experten wird sich das sehr bald ändern. Das sieht auch Professor Uwe Jenisch (Universität Kiel) so. Der Fachmann für Internationales Seerecht mahnt in Natur und Recht (12/2013), die Marktkräfte nicht zu unterschätzen. Die Gewinnschwelle (Break-Even-Point) rücke wegen steigender Rohstoffpreise näher. Dann werde der Tiefseebergbau finanziell genauso attraktiv wie der Landbergbau sein.

Wegen der Umweltgefahren kaum öffentliche Akzeptanz

Jenisch weist jedoch darauf hin, daß der Tiefseebergbau wegen der Umweltgefahren derzeit wenig öffentliche Akzeptanz besitze, obwohl er selbst ihn für „relativ umweltfreundlich“ hält. Das Umweltbundesamt (UBA) in Berlin warnt davor, daß mit den Manganknollen ganze Lebensgemeinschaften dem Meeresboden entrissen würden. Trübungswolken könnten zudem lebende Organismen abdecken und Schadstoffe durch das Förderwasser im Meer verbreitet werden. Jenisch fordert daher ebenso wie das UBA, hohe Umweltstandards zum Schutz des empfindlichen Ökosystems festzusetzen.

Das Zinnproblem ab 2018 werden die Manganknollen nicht lösen. Der VDI empfiehlt eine Substitution – ausgerechnet durch Blei.

Foto: Manganknolle in natürlicher Umgebung: Der Abbau von Erzen in der Tiefsee gefährdet das Ökosystem

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