© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Damals in Bonn
Marcus Schmidt

Am Montag kramte das politische Berlin in Erinnerungen. Auf den Tag genau vor zwanzig Jahren hatte der Bundestag die Weichen für seinen Umzug vom Rhein an die Spree gestellt. Das von den Parlamentariern am 10. März 1994 beschlossene „Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands“ – kurz Berlin/Bonn-Gesetz – regelt bis heute die Aufgabenteilung zwischen der Hauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn.

Die Folge: Knapp ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall und 15 Jahre nach dem Umzug von Regierung und Bundestag haben immer noch sechs Ministerien ihren Hauptsitz am Rhein, arbeiten 8.100 Beamte in der ehemaligen provisorischen Hauptstadt des westdeutschen Teilstaates; in Berlin sind zehn Ministerien und rund 10.000 Beamte angesiedelt. Da alle Bonner Ministerien eine Dependance in Berlin haben und die Berliner einen Zweitsitz in Bonn, ist das Pendelaufkommen zwischen den beiden Städten nach wie vor groß. Jährliche Kosten laut Bundesfinanzministerium: neun Millionen Euro.

Ein Gang durch das Berliner Regierungsviertel zeigt zudem, daß sich Regierung und Parlament hier noch immer nicht fertig eingerichtet haben. Derzeit drehen sich zwischen Reichstag und Kanzleramt so viele Baukräne wie seit Jahren nicht mehr. An allen Ecken und Enden wird gebaut. Nördlich der Spree, in der Nähe des Hauptbahnhofes, geht der Neubau des Bundesinnenministeriums seiner Fertigstellung entgegen. Bislang ist das Ministerium über mehrere Standorte in Berlin verteilt, der bisherige Hauptsitz, nur wenige hundert Meter vom Neubau entfernt, ist nur angemietet. Für das erste Quartal 2015 ist nun der Umzug geplant.

Etwas weiter flußaufwärts, zwischen Bahnhof und dem Haus der Bundespressekonferenz, rückt derweil die Einweihung des Ministeriums für Bildung und Forschung näher. Bereits im Herbst sollen die bislang über drei Standorte verteilten Mitarbeiter ihre neuen Arbeitsplätze beziehen – teilweise mit einem unverbaubaren Blick auf Spree und Kanzleramt.

Noch im Rohbau befindet sich dagegen der einen Steinwurf von der Bundespressekonferenz entfernte Erweiterungsbau des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, das neben einem großen Anhörungssaal unter anderem die Parlamentsbibliothek, die Pressedokumentation sowie das Archiv des Bundestages beherbergt. Aus dem im Bau befindlichen neuen Ostflügel wächst derzeit ein 36 Meter hoher Turm empor, der künftig das sogenannte Band des Bundes, das sich auf dem anderen Spreeufer über das Paul-Löbe-Haus bis zum Kanzleramt erstreckt, akzentuieren wird.

Daß sich an der derzeitigen Zweiteilung des Regierungssitzes mittelfristig etwas ändert, glaubt in Berlin derzeit niemand. Anläufe, wie 2011 der des damaligen Verteidigungsministers Thomas de Maizière (CDU), scheiterten bislang regelmäßig am Widerstand der Landesregierung in Düsseldorf und der Bundestagsabgeordneten von Rhein und Ruhr.

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