© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

Aufstand für die Gewissensfreiheit
Frankreich: Die Klage von Bürgermeistern gegen den Zwang, Homo-Trauungen vorzunehmen, ist nur die Speerspitze des Kampfes gegen die Regierung Hollande
Jürgen Liminski

Diskriminierung oder Gewissensfreiheit? Seit vergangener Woche liegt diese Frage auf dem Tisch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. 14 Bürgermeister in Frankreich wollen sich ihre Gewissensfreiheit nicht nehmen lassen und haben geklagt, um das Recht zu bekommen, gleichgeschlechtliche Paare eben nicht trauen zu müssen.

Diese Klage ist die letzte rechtliche Patrone der Freiheitskämpfer in Frankreich. Sollte sie verpuffen, kann nur noch ein Regierungswechsel in Frankreich mit anschließender Gesetzesänderung die Gewissensfreiheit in dieser Frage wiederherstellen. Denn der Verfassungsrat, die letzte Instanz der Grande Nation, hatte im Oktober entschieden, den Bürgermeistern keine Klausel über Gewissensfreiheit im Fall der Homo-„Ehe“ zuzugestehen.

Präsident Hollandes Ansehen auf dem Tiefpunkt

Für den mittlerweile mehrheitlich von linken Politikern besetzten Rat steht die Amtspflicht über dem Gewissen. Damit wollen sich die Bürgermeister nicht abfinden, so wie die Millionen Franzosen, die für das elementare Recht des Menschen auf Vater und Mutter auf die Straße gehen – zuletzt Ende Februar. Jean-Michel Fourgous, Bürgermeister der Kleinstadt Elancourt, sieht in dem Gesetz „eine große Lüge, Hollande will die Bürgermeister zwingen, gegen ihr Gewissen Trauungen vorzunehmen, und er selber ist noch nicht einmal verheiratet“.

In den meisten Medien in Deutschland wurden die Demonstrationen als Protest gegen die Homo-„Ehe“ beschrieben. Aber es ist weit mehr. Auch diesmal geht es nicht um ein Nein gegen diese Form der Partnerschaft, sondern grundsätzlich um die Freiheit. Der Mehrheit der Franzosen ist es schlicht egal, was gleichgeschlechtliche Paare untereinander treiben, solange die Gewissensfreiheit geachtet wird.

Bei Dritten, die sich nicht wehren können, etwa bei Kindern, hört die Gleichgültigkeit auf. Deshalb ist nach wie vor eine Mehrheit der Franzosen auch gegen eine Adoption durch Gleichgeschlechtliche. Das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz erlaubt solche Adoptionen. Die sozialistische Regierung will solche Unterschiede nicht sehen.

Auch beim Thema künstliche Befruchtung unterscheidet sie nicht zwischen Bevölkerung und gleichgeschlechtlichen Paaren. Die Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem stützt sich bei ihrem Gesetzentwurf zur künstlichen Befruchtung auf eine Umfrage, nach der 57 Prozent der Franzosen diese Form der Fortpflanzung nicht verbieten lassen wollen. Dabei geht es allerdings um die Erlaubnis der künstlichen Befruchtung für alle Paare, nicht nur die homosexuellen. Die Frauenministerin indes manipulierte. Sie sprach davon, daß 57 Prozent der Franzosen für die künstliche Befruchtung bei homosexuellen Paaren seien, dabei hatte die Umfrage diese Unterscheidung gar nicht erfragt.

Die 14 Bürgermeister empfinden sich nicht als im Widerstand gegen das Gesetz, sondern an der Front der Freiheit. Natürlich wird man in den Medien die Bürgermeister als die „glorreichen 14“ verhöhnen und ihnen unterstellen, sie wollten nur die Kommunalwahl Ende März gewinnen. Dagegen spricht, daß die meisten zur Aufgabe des Amtes bereit sind, wenn sie es nicht nach Recht und Gewissen ausüben können.

Die Reform ist durch, die Sozialisten werden die Rechnung bei den Kommunalwahlen und auch bei den Europa-wahlen im Mai serviert bekommen. Mehr als drei Viertel aller Franzosen wollen bei den Kommunalwahlen zur Urne gehen, es wäre ein Rekord der Wahlbeteiligung.

Das sieht auch die Regierung, sie hat derzeit alle gesellschaftspolitischen Vorhaben auf Eis gelegt. Dennoch ist ihre Popularität auf einem historischen Tiefstand angelangt, Hollande hat nur noch 17 Prozent Zustimmung, 80 Prozent haben kein Vertrauen mehr in ihn. Man ahnt, daß das Volk eine Revision der Gesetze zur Homo-„Ehe“ über eine Änderung der politischen Machtverhältnisse anstrebt. Aber das ist ein Thema für die Zeit nach den Wahlen. Hierfür will man noch retten, was zu retten ist. Es schwirrt in Paris geradezu vor Gerüchte um eine bevorstehende Regierungsumbildung, mit der François Hollande spätestens nach den Kommunalwahlen am 23. und 30. März, dem ersten landesweiten Test seit seiner Wahl vor dann knapp zwei Jahren, das Ruder herumreißen und für die Europawahlen am 25. Mai einem politischen Erdrutsch entgehen will. Aber das dürfte allenfalls unschlüssige linke Wähler mobilisieren. Der Großteil der Franzosen, insbesondere im bürgerlichen Lager, hat sich seine Meinung nach den Demonstrationen im vorigen Jahr und Anfang dieses Jahres gebildet. Die Klage der 14 Bürgermeister ist da nur der Punkt auf dem i.

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