© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

Die Lüge von den explodierenden Kosten für Wohnraum entlarvt
Neumieten steigen kaum
Markus Brandstetter

Es geht ein Gespenst um in Deutschland, und das heißt Mietwucher. Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwer erklärt, daß die Mieten seit Jahren geradezu ins Unendliche stiegen. Immer öfter tauchen Bilder von absolut unbezahlbaren Altbauwohnungen in Großstädten auf, vor denen sich zur Besichtigung Menschenschlangen angesammelt haben, die bis auf die Straße reichen. Hat sich der Vermieter für das Ärzteehepaar mit dem Porsche entschieden, dann geht der Makler unmittelbar danach ins Sternerestaurant, um die Abzocke gebührend zu feiern. Die zweite Geschichte, die durch die Medien geistert, ist die von der Familie mit den drei Kindern, Papa Angestellter, Mama Halbtagskraft, die nach monatelangem Anzeigenstudium, Hunderten von Besichtigungen und demütigenden Abweisungen eine dunkle, feuchte Dreizimmerwohnung mit Nordbalkon bezogen hat, weil sie sich nichts anderes leisten kann. Natürlich, das sind schöne Geschichten aus dem modernen Märchenbuch, die sich die Menschen immer wieder gerne erzählen, nur stimmen sie nicht, aber das ist ja bei Märchen oft der Fall.

Zwei Ökonomen vom Kieler Institut für die Weltwirtschaft haben herausgefunden, daß es die angebliche Mietpreisexplosion gar nicht gibt. Die Forscher haben ermittelt, daß die Nettokaltmieten in Deutschland seit dem Jahr 1995 bis zur Jahresmitte 2013 von 4,28 Euro auf 5,42 Euro pro Quadratmeter gestiegen sind. Das entspricht im Durchschnitt einem Anstieg von gerade einmal 1,3 Prozent pro Jahr – das ist weniger als die durchschnittliche Inflationsrate während desselben Zeitraums. Das heißt: Wer sein Geld in Immobilien anlegt, legt real sogar minimal drauf, weil er nicht einmal die jährliche Geldentwertung ausgleichen kann. Die Bruttowarmmieten sind im selben Zeitraum um 1,9 Prozent im Jahr gestiegen, was kein Wunder ist, weil die ständig steigenden Energiekosten in diesem Anstieg miterfaßt werden.

Die Kieler haben auch untersucht, wo erstens Mieten und Immobilien am teuersten sind, und wo zweitens die stärksten Preisanstiege zu verzeichnen waren, was keineswegs dasselbe ist. Immobilien und Mieten sind seit Jahren am höchsten in München, Hamburg, Stuttgart und Frankfurt am Main. Das ist nichts Neues. Überraschend ist, daß Bamberg, gefolgt von Wolfsburg und Eichsfeld den höchsten Preisanstieg bei den Mieten zu verzeichnen hatte. Die Schlußlichter bei den Mieten waren die Landkreise Freyung-Grafenau, Spree-Neiße und Prignitz, wo die Mietpreise von 1995 bis 2013 um mehr als fünf Prozent pro Jahr fielen.

Summa summarum besagt die Expertise, daß seit 1995 Netto- und Bruttokaltmieten langsamer als die Inflationsrate gestiegen sind und der gefühlte Preisanstieg bei den Mieten hauptsächlich durch die Explosion bei den Energiekosten zu erklären ist. Vor diesem Hintergrund halten die Kieler Forscher von einer Mietpreisbremse gar nichts.

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