© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Der Konflikt um die Ukraine ist auch wieder ein Beweis für den Fehler des Weltgeistes, der uns 1918 verlieren ließ.

„Vor dem amerikanischen Distriktsgericht in Marburg/Lahn erklärte sich der 33jährige Kaukasier Illa Abrovoc, der seinen mohammedanischen Glaubensgenossen Boris Abissar erschossen hatte, des Mordes ‘nicht schuldig’; er habe Abissar aus Glaubenszwang töten müssen, weil er Allah gelästert habe. Das Gericht beschloß, durch Sachverständige klären zu lassen, inwieweit derartiges kaukasischem Brauch entspreche.“ (Der Spiegel vom 31. Januar 1951)

Am Probierstand, die Verkäuferin: „Rhabarbersaft. Höchste Qualitätsstufe. Naturrein. Organic food, wenn Sie verstehen.“ Der Kunde: „Schmeckt wie der von meiner Großmutter – fast.“

Die Sorge, daß die primäre Kommunikation durch die sekundäre ersetzt wird, ist unbegründet. Die digital natives neigen jedenfalls, gruppenweise und in Person auftretend, zu ohrenbetäubender Geschwätzigkeit, vor allem da, wo sie nicht hingehört: in Kinos, in Kirchen, in Bibliothekssälen

Soweit sich etwas über die Besetzer des Maidan-Platzes sagen läßt, ist offensichtlich, daß der „Rechte Sektor“ eine ausschlaggebende Rolle für die Verteidigung des Areals und beim Sturz der Regierung spielte. Daran kann man, wenn sonst nichts, immerhin ablesen, daß nur eine feste und hinreichend radikale Überzeugung Kraft zum Widerstehen gibt.

Bildungsbericht in loser Folge LIII: Eine neue Untersuchung zur Entwicklung von Schülern ausländischer Herkunft zeigt, daß junge Leute mit vietnamesischen Wurzeln nicht nur keine Probleme haben, sondern ausgesprochen erfolgreich sind, und bei Vergleichsstudien auffallend oft die Autochthonen schlagen. Dafür bemüht man jetzt alle möglichen Erklärungsansätze: den Ehrgeiz der (meistens bildungsfernen, kaum die deutsche Sprache beherrschenden) Eltern, die Strenge der häuslichen Erziehung, den Konfuzianismus, die Mentalität. Nur eins ist ganz und gar ausgeschlossen oder kommt jedenfalls in den publizierten Deutungen nicht zum Tragen: der ethnische Faktor, das heißt der auch sonst und auf allen möglichen Gebieten deutliche Intelligenzvorsprung von Menschen asiatischer Herkunft.

Die Äußerung Carl Peymanns, Intendant des Berliner Ensembles, daß die Störung und Verhinderung einer Lesung von Thilo Sarrazin inakzeptabel sei, weil die Konsequenz von „nazihaftem Gepöbel“, ist ein Ablenkungsmanöver. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Art von Verhetzung, Intoleranz und Angriff nicht um eine rechte, sondern um eine genuin linke Sache. Das Spektrum reicht vom Druck der Straße, den die Jakobiner organisierten, bis zum notorischen Blanquismus, der die direkte Aktion als das Mittel zur Vorbereitung der Revolution empfahl; ein Erbe, das die Anarchisten begeistert aufnahmen. Aber nicht nur die, sondern auch Kommunisten und heute im Ruf der Bravheit stehende Sozialdemokraten, die sich in der Zwischen- wie der Nachkriegszeit eigener pressure groups bedienten, um Kontrahenten mundtot zu machen, und dann die Achtundsechziger mit ihrer Gewaltversessenheit und deren Nachwuchs, der noch heute als Rote Garde herumzieht und entscheidet, wer sprechen oder veranstalten darf und wer nicht. Der Vorgang erregt allerdings selten soviel Aufsehen wie im Fall Sarrazin.

Der Konservative kann meinen, daß die Einrichtungen der Vergangenheit bessere waren, aber nicht, daß die Menschen bessere waren.

Die Nachricht, daß der britische Geheimdienst sich nicht nur mit dem Ausspähen beschäftigt, sondern auch Zersetzung treibt, erinnert daran, daß man es mit alten Meistern des Metiers zu tun hat: „Jeder Griff ist erlaubt“, schrieb Sefton Delmer, während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich für die gegen Deutschland gerichtete Schwarze Propaganda. „Je übler, um so besser. Lügen, Betrug – alles.“

Nekrolog: Es verstarb im gesegneten Alter, kurz nach ihrem 100. Geburtstag, meine Grundschullehrerin. Ihr verdanke ich ein paar – mehr oder weniger berechtigte – Ohrfeigen, den bleibenden Eindruck von einer Kriegerwitwe, die drei Kinder großgebracht hatte und mit uns sechsunddreißig Rangen problemlos fertig wurde, den Stolz auf die karolingische Pfalz in meinem Heimatdorf, von der kein Stein mehr zeugt, das unauslöschliche Bild Heinrichs des Löwen, das sie in der Heimatkunde durch ihre Geschichten erstehen ließ, ein Gespräch mit meiner Mutter, das mir den Leseausweis für unsere Leihbibliothek einbrachte, eine bunte, selbstbeklebte Pappkiste, die sie zur Hochzeit persönlich vorbeibrachte, und ein paar unsterbliche Tricks, um ungelenken Knirpsen das Übertragen von Faustskizzen beizubringen.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 28. März in der JF-Ausgabe 14/14.

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