© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

Servus, Dirty Harry
Abschied: Seit 1995 war Harald Schmidt mit Unterbrechungen auf Sendung – jetzt ist Schluß
Toni Roidl

Dirty Harry tritt ab: Wenn am 14. März die letzte „Harald Schmidt Show“ auf Sky vorbei ist, geht ein Kapitel deutscher Fernsehgeschichte zu Ende.

Der heute 56jährige führte das Format der Late-Night-Show nach amerikanischem Vorbild in Deutschland ein. Die Anfänge mit seinem kongenialen Partner Herbert Feuerstein in „Schmidteinander“ waren noch etwas wackelig – Schmidt suchte noch nach seiner perfekten Form. Die fand er mit der „Harald Schmidt Show“.

Intellektuell, witzig und politisch unkorrekt

Seit Dezember 1995 witzelte sich Schmidt durch das Sat1-Abendprogramm. Die Quoten waren gut, und Schmidts einzigartiger Moderationsstil sowie sein messerscharfer Humor brachten ihm schnell einen Kultstatus ein. Schmidt orientierte sich eng am Original, der Late-Night-Show des US-Talkers David Letterman. Doch durch Schmidt wurde die Sendung zu einem Hybrid-Konzept zwischen Talkshow und Comedy. Den kreativen Höhepunkt erreichte die „Harald Schmidt Show“ zwischen 2000 und 2003. Aus dem Alleinunterhalter war längst ein Teamspieler geworden.

Neben ihm auf der Bühne waren regelmäßig der „Redakteur im Studio“, Manuel Andrack, Chefmusiker Helmut Zerlett sowie die Französin Nathalie Licard zu sehen. Zusammen spielte sich das Quartett gegenseitig die Bälle zu. Dem narzißtischen Moderator wurden so immer neue Höchstleistungen abgefordert. Daß der bekennende Hypochonder überhaupt so lange durchhielt, hatten nur wenige geglaubt. Den Erfolg einer mehrfach wöchentlich ausgestrahlten Sendung auf einem späten Platz hatten Fernsehkritiker für unmöglich gehalten. Schmidt kannte kein Pardon: Er riß Polenwitze (die zu diplomatischen Verwicklungen führten) und sexistische Zoten über Bettina Böttinger (gegen die WDR-Intendantin Monika Piel protestierte) oder ließ genüßlich das legendäre Nazometer ausschlagen.

Die Fernsehnation wieherte vor Vergnügen bei Kalauern wie: „Was haben die Schwulenbewegung und der FC Bayern München gemeinsam? Keiner stammt aus dem eigenen Nachwuchs.“ Zum Öko-Wahn: „Ich trenne auch im Auto Müll: Flaschen werf ich links raus, Dosen rechts.“ Oder: „Lothar Matthäus ist jetzt in dem Alter, wo man nicht mehr weiß, Erektion oder Leichenstarre?“ Über Models: „Wann ist ein Model zu dick? Wenn der Zeigefinger nicht mehr in den Hals paßt“.

Selbst Literaturnobelpreisträger bekamen ihr Fett weg: „Preisträgerin des Literaturnobelpreises ist Alice Munro. Den hat sie wirklich verdient, allein schon für die eine Szene, wo sie überm U-Bahnschacht steht und es weht den Rock so hoch.“ Auch vor den Grünen machte er keinen Halt: „Die Kantinen in Hannover streichen den Begriff ‘Zigeunerschnitzel’. Die Grünen haben alternativ vorgeschlagen: ‘Zigeuner-Tofu’.“

Auch der souveräne Umgang mit seinen Gästen war große Klasse: Keine geheuchelte Begeisterung, kein belangloses Gelaber, kein impertinentes Dazwischenreden. Stattdessen entwaffnende Begrüßungen wie: „Guten Abend, Sie sind hier, um ihr Buch zu verkaufen.“ Herrlich, wie er dabei die größten Nervensägen seelenruhig mit beißendem Witz in die Tasche steckte.

Kritik perlte an ihm ab. Das Publikum liebte ihn. Schmidt war kein oberflächlicher Pöbler, sondern ließ immer Bildung und Intellekt durchblitzen. Auch wenn er Weltliteratur mit Playmobilfiguren nachspielte. Seine Tabubrüche waren eine Erfrischung gegen die Spießigkeit des verbrauchten linken Kabaretts.

Die Kritiker hatten ihre Meinung da längst revidiert. Adolf-Grimme-Preis, Bayerischer Fernsehpreis, Deutscher Fernsehpreis, Goldene Kamera. Kaum eine Auszeichnung, die Schmidt nicht im Schrank stehen hat.

Im Dezember 2003 dann der große Knall. Schmidt schmeißt hin. Ein Jahr Kreativpause. Nach zwölf Monaten ist er dann wieder da. Bei der ARD. Die Öffentlich-Rechtlichen versuchten, mit Schmidt ein frecheres Image zu bekommen. Das Problem: Schmidt war nicht mehr so frech wie früher. Vieles wirkte zu bemüht. Die Sendung lief nur noch selten und unregelmäßig. Das Publikum ging dem Entertainer von der Stange.

Daran änderte auch die Verpflichtung von Oliver Pocher als Schmidts Widerpart in der Sendung nichts mehr. An alte Glanzzeiten konnte nicht mehr angeknüpft werden. Und dennoch blieb Schmidt als Moderator, Schauspieler und Buchautor präsent. Zwischen 1994 und 2013 schrieb er beim Focus eine Satire-Kolumne, die es in sich hatte.

Nach seiner kurzen Rückehr zu Sat1 (2011 bis 2012) wechselte er nach sinkenden Quoten schließlich zum Bezahlsender Sky. Die Häme von Medienjournalisten kannte da keine Grenze mehr. Im Wochentakt wurde über Schmitds geringe Zuschauerzahl bei Sky (angeblich nur 5.000 bis 150.000) gewitzelt. Es wurde genörgelt und geknörzt.

Dabei fand der Entertainer vor dem kleinen Publikum durchaus zu alter Stärke zurück. Die Kritik an seiner Sendung perlte ab.

Fernsehkonventionen waren ihm immer egal

Der gläubige Katholik probierte sich aus. Eine ganze Sendung auf französisch, das Moderieren mit dem Rücken zum Publikum und die wohl eindrucksvollste Imitation von Adolf Hitler im deutschen Fernsehen.

Doch nicht nur auf der Bühne gab Schmidt gerne den Diktator. Auch dahinter. Weggefährten berichteten immer wieder über das streitbare Verhalten Schmidts. „Er ging vor wie ein afrikanischer Diktator. Nur daß er die Macht nicht hatte“, sagte etwa Herbert Feuerstein. „In Wirklichkeit ist Schmidt noch gemeiner als auf der Bühne“, sekundierte Andrack, der selbst einmal 2.000 Mark mehr Gehalt bekommen haben will, nachdem er eine Regelung einführte, die seinem Chef einen früheren Feierabend bescherte.

Nun will sich der Vater von fünf Kindern wieder seiner Herkunft widmen, der Theaterbühne. Es fällt schwer, sich Harald Schmidt in einer anderen Rolle vorzustellen als Harald Schmidt. Vielleicht findet er auch mehr Zeit für sein Engagement für das Zentrum gegen Vertreibungen des BDV, das Schmidt als Sohn von Vertriebenen unterstützt. Wir sagen Servus Harry! Ohne ihn wird Fernsehen noch langweiliger.

Foto: Werbebild der „Harald Schmidt Show“: Der Entertainer hat wie kein anderer das Genre der spätabendlichen Talkshows in Deutschland dominiert

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