© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

Das Wittern einer gelben Gefahr
Zwei spanische Journalisten warnen vor der Kolonialmacht China, die überall auf der Welt rücksichtslos ihre Interessen vertritt und dabei Mensch und Natur ausbeutet
Markus Brandstetter

Ein Drittel aller Supermärkte in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires gehört chinesischen Einwanderern, die ihre Wettbewerber aus Frankreich und den USA gnadenlos unterbieten, weshalb immer mehr Argentinier bei den Chinesen kaufen. An die neunzigtausend Chinesen leben heute schon in Argentinien, und es werden jedes Jahr mehr. Sie arbeiten Tag und Nacht, verhandeln hart, sind innovativ, kundenfreundlich und haben rund um die Uhr auf. Dem hatten die Argentinier mit ihren Tante-Emma-Läden und ihrer laxen Mañana-Mentalität nichts entgegenzusetzen, weshalb Argentinier im eigenen Land heute kaum noch Lebensmittelläden besitzen.

In Ecuador und Venezuela sieht es auch nicht besser aus, da bekommen die linkspopulistischen Regierungen vom Internationalen Währungsfonds keine Kredite mehr, also gehen sie zu den Chinesen, die ihnen Milliarden leihen, wenn sie im Gegenzug dafür die Naturschätze beider Länder ausbeuten dürfen. In Afrika spielt sich ähnliches ab. In Nigeria, Mozambik und im Sudan kommen die Chinesen mit Koffern voller Geld, bauen Straßen, Kliniken und Flughäfen und lassen sich im Gegenzug dafür Schürflizenzen für Edelmetalle und strategisch wichtige Rohstoffe wie Kupfer, Wolfram und Mangan geben.

Nach den chinesischen Banken und den Staatsfirmen kommen die chinesischen Unternehmer, erst die ganz Großen, dann die Mittelständler und am Schluß die Hausierer. Kairo wird jeden Tag von Hunderten von Chinesen durchstreift, die von Handkarren aus Krawatten, Strickjacken und Unterhosen verkaufen, billig Röcke schneidern oder einem Schmuck andrehen. Obwohl die Chinesen kaum Arabisch können, sind sie erfolgreicher als ihre ägyptischen Kollegen, weil sie härter und länger arbeiten und nie aufgeben.

Im Goldenen Dreieck an der chinesisch-laotischen Grenze geht es zu wie in der Altstadt von Amsterdam: Überall werden Drogen verkauft, und nach Einbruch der Dunkelheit zwingen Scharen von chinesischen Prostituierten späten Heimkehrern ihre Dienste geradezu auf.

All das und vieles mehr haben Juan Cardenal und Heriberto Araújo herausgefunden, zwei spanische Journalisten mit Sitz in Peking. Um dem Leser ein wahrheitsgetreues Bild der neuen gelben Gefahr zu vermitteln, sind die beiden in achtzig Flugzeuge gestiegen, haben sieben Ländergrenzen überschritten und auf 15.000 Kilometer Staubpisten für den Leser ihr Leben riskiert. Diese Strapazen hätten sie sich sparen können, denn alles, was sie in ihrem Buch schreiben, ist längst bekannt. Der britische Economist bringt seit Jahren lange Artikel zu genau diesem Thema, nur sieht man dort die ganze Entwicklung nicht ganz so kritisch wie Cardenal und Araújo.

Natürlich, die Chinesen legen nicht viel Wert auf Umweltschutz, zahlen überall Hungerlöhne, bestechen Diktatoren und Militärmachthaber mit Gold und Geld und schneiden sich ein immer größeres Stück vom Rohstoffkuchen dieser Welt ab. Nur haben das die Europäer, Amerikaner und Japaner, als sie ihre Kolonialreiche errichteten, genauso getan. Ausbeutung von Mensch und Natur scheint Teil jedes wirtschaftlichen Aufstiegs zu sein.

Und dann brechen die Chinesen kaum jemals lokale Gesetze, sondern werden von Machthabern und Diktatoren in der Dritten Welt geradezu eingeladen, über ihr Land herzufallen, so lange es nur ordentlich bezahlt wird. Überhaupt: Irgendwo müssen die Rohstoffe für all die Handys, Fernseher und iPods, die die ganze westliche Welt in China fertigen läßt, schließlich herkommen.

Brisanter ist es, wenn die Autoren schreiben, daß China Pakistan die Atombombe zugeschustert hat, die von da ihren Weg nach dem Iran fand. Grund dafür sei das allergrößte geopolitische Interesse Chinas, Asien zu destabilisieren und die asiatischen Länder gegeneinander aufzuwiegeln. Da könnte wirklich etwas dran sein. China läßt Indien „aus zehntausend Wunden bluten“, wie die Autoren zu Recht schreiben, unterstützt deshalb pakistanische Terrororganisationen, die in Indien und Afghanistan ihr Unwesen treiben, und tut ganz allgemein alles dafür, daß möglichst kein Friede in der Region einkehrt.

Alles in allem ist die ganze Theorie jedoch schon ein bißchen angestaubt – die spanische Originalausgabe erschien 2011 –, in den uninteressanten Teilen längst bekannt, und da, wo es interessant werden könnte, verläßt die Autoren der Mut.

Juan Pablo Cardenal, Heriberto Araújo: Der große Beutezug. Chinas stille Armee erobert den Westen. Carl Hanser Verlag, München 2014, gebunden, 390 Seiten, 24,90 Euro

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