© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

Mit beißendem Sprachwitz
Eine Neuvorstellung des Visionärs Aldous Huxley
Werner Olles

Aldous Huxleys vor allem auf die amerikanischen Verhältnisse gemünzte Zukunftsvision „Brave New World“ (1932) gehört zu jenen Werken, in denen der Schwund der historischen Substanz und das Erlöschen der Traditionen in den modernen Gesellschaften mit seltener Klarheit diagnostiziert werden.

Seine treffende Kulturkritik ist jedoch auch für die Postmoderne bezeichnend, die die Kluft zwischen Elite- und Massenkultur überwunden hat und damit eine Grenzüberschreitung vollzog: das stufenweise Zurückweichen der Politik vor den entfesselten Kräften des Marktes und einer amerikanisierten „Kultur“. Wer Huxleys tiefgreifende Anti-Utopie und sein „kulturkritisch hochaktuelles Fazit“ aufmerksam liest, erkennt recht bald, daß es sich hierbei in der Regel um ethische Fragen und um eine Untersuchung moralischer Werte handelt, die allerdings auch die Naturwissenschaften berühren. Für einen der intellektuellen Aristokratie Englands entstammenden Schriftsteller, dessen umfangreiches Werk sich vom Roman über das Feuilleton bis hin zu Reisebüchern erstreckte, ist dies aber keineswegs ungewöhnlich.

Heinz-Joachim Müllenbrocks schmaler Band über den prophetischen Gesellschafts-, Zeit- und Kulturkritiker Aldous Huxley macht den Leser mit einem wahren Multitalent bekannt. An der vornehmen Public School Eton erzogen, studierte er am feinen Balliol College in Oxford mit Auszeichnung Literatur. Als Angehöriger einer gesellschaftlichen Elite nicht frei von Kastenstolz und Bildungssnobismus, die beiden feindlichen Kulturen Geistes- und Naturwissenschaften „gewissermaßen in Personalunion“ verkörpernd und später in all seinen Werken „mit enzyklopädischer Gelehrsamkeit“ prunkend, avancierte Huxley zunächst zum Kritiker, um in den frühen zwanziger Jahren „mit beißendem Sprachwitz“ und einem „Überschuß an intellektueller Energie“ seine ersten Romane zu schreiben. Schärfe und Zynismus der Romane führt Müllenbrock auf persönliche Schicksalsschläge wie den frühen Tod seiner Mutter und den Selbstmord seines Bruders zurück. Erst in den Essays der Zwischenkriegszeit streift Huxley seine ironische Blasiertheit ab und wird zum ernsthaften Gesellschaftskritiker und „vielleicht bedeutendsten Zivilisationskritiker des 20. Jahrhunderts“.

Heinz-Joachim Müllenbrock: Aldous Huxley. Ein englischer Intellektueller als Kritiker unserer Zeit. Basilisken-Presse, Marburg an der Lahn 2014, broschiert, 40 Seiten, 12 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen