© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Freiheit, Recht, Einigkeit
Alternativen zum EU-Zentralismus: Sieben Thesen über ein Europa, das wir wollen
Michael Paulwitz

Wer Zustand und Kurs der EU kritisiert und den Euro nicht für einen Geniestreich hält, wird von der politisch-medialen Klasse gern als „Antieuropäer“ verleumdet. Als könnte man etwas gegen den Kontinent haben, auf dem man lebt. In einem Zeitalter der Multipolarität, der globalen Verflechtung, der aufstrebenden neuen Mächte und des sinkenden demographischen Gewichts des alten Kontinents ist das Zusammenrücken der europäischen Nationen ein Gebot des gesunden Menschenverstandes. Wie aber soll es aussehen, das Europa, das wir wollen?

Ein Europa der Freiheit: Die Idee der individuellen Freiheit des Bürgers und der politischen Freiheit der Nation ist der harte Kern des europäischen Selbstbewußtseins. Brüssel hat mit beidem nicht viel am Hut. Ein freier Bürger braucht keine Gouvernante, die ihm per „Toleranz“-Zwang Gesinnungen und Lebensführung vorschreibt – keine Parteienoligarchie und schon gar keine von niemand gewählte Kommissariats-Nomenklatura. Die Staatsgewalt muß dorthin zurückkehren, von wo sie ausgeht: zum Bürger, der in Kommunen, Ländern und Staaten über die öffentlichen Belange selbst entscheiden soll.

Ein Europa der Demokratie: Denn Demokratie ist, was man selbst praktiziert, statt nur anderen zu predigen. Wir brauchen ein Europa, in dem die nationalen Parlamente und Regierungen das letzte Wort haben; in dem sich Politiker vor ihren Bürgern verantworten müssen und nicht vor einer transnationalen politischen Klasse, feudalen Gremien, anonymen Räten und „alternativlosen“ Kungelrunden, die nur noch abnicken lassen, was hinter verschlossenen Türen ausgeheckt wurde; ein Europa, in dem die Völker in direkter Abstimmung entscheiden können, ob sie die Verfügungsgewalt über ihre Währung, ihre Finanzen, ihre Institutionen, ihre Grenzen und ihre ethnische Identität behalten wollen, und das diesen Willen auch achtet und nicht wie einen lästigen Störfaktor auszutricksen versucht.

Ein Europa der Identität: Europa ist mehr als ein optimiertes Gelände für globalen Konsum, Arbeitskräfte-, Geld- und Warenverkehr. Europa hat Wurzeln und Traditionen: christliche, kulturelle, philosophische, historische.

Ein Dach, das nicht auf diesem Fundament steht, ist zum Einsturz verurteilt. Europa lebt in seinen Völkern: Ein europäischer Zusammenschluß, der ihre Besonderheiten und Eigenständigkeiten nicht respektiert, der den Willen zur Bewahrung ihrer Identitäten als „Rassismus“ diffamiert, den ganzen Kontinent über einen gleichmacherischen ideologischen Rechen zieht und jede noch so abseitige Minderheit für schützenswerter hält als die autochthonen Bausteine Europas, gerät zum lebens- und menschenfeindlichen Zerrbild.

Ein Europa des Rechts: Europa hat die Interessen seiner Völker und Nationen zu wahren und nicht als Missionar mit universalistischen Phrasen durch die Weltgeschichte zu ziehen. Europa ist nicht dazu da, in anderen Ländern Regimewechsel zu erzwingen, Randgruppenrechte einzufordern und Amerika zuliebe Konflikte vom Zaun zu brechen, die es nicht beherrschen kann. Ein europäischer Zusammenschluß, der dauerhaft Bestand haben soll, muß selbst auf Rechtlichkeit gegründet sein: Die institutionalisierte Erpressung eines Partners mit seinen nationalen Schuldkomplexen ist ebensowenig eine tragfähige Basis für eine gleichberechtigte Partnerschaft wie unangebrachte Nachsicht gegenüber Mitgliedstaaten, die aus politischer Opportunität Jahrhundertverbrechen wie die Austreibung ganzer Volksgruppen bis heute für Recht erklären.

Ein Europa der Souveränität: Demokratie setzt das Staatsvolk voraus und das Staatsvolk den Nationalstaat. Ohne den Nationalstaat gibt es weder demokratische Legitimation noch sozialstaatliche Solidarität. Die Nationen sind die Bausteine der europäischen Zusammenarbeit und nicht Hindernisse auf dem Weg zu ihrer Verwirklichung. Eine Währungsunion, die eine politische Union erzwingen will, indem sie die Souveränität der europäischen Nationen schrittweise aushebelt und Vertragsbruch zur Norm erhebt, ist deshalb ein gefährlicher Irrweg.

Ein Europa des Wettbewerbs: Das Europa, das wir meinen, soll seinen Kernaufgaben dienen, statt mit weltfernen Richtlinien die linksideologische Gleichschaltung der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Einwanderungspolitik zu betreiben. Es respektiert die Vielfalt der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsysteme und zerstört sie nicht durch dirigistische Vorgaben und das Niederreißen aller Schranken. Unsere Idee von Europa ist die eines Staatenbunds und einer Freihandelszone, die allen europäischen Staaten offenstehen kann, weil sie ihre Eigenständigkeit respektiert und die unterschiedlichen Voraussetzungen, die sie mitbringen, nicht zwangsweise egalisieren will. Ein europäischer Zusammenschluß, der gleichzeitig maximale Ausdehnung und maximale Integration anstrebt, muß an seinen inneren Widersprüchen zerbrechen.

Ein Europa der Einigkeit: Das Europa, das wir wollen, ist kein Europa der zentralistischen Gleichmacherei, sondern ein Europa der Vaterländer, in dem sich souveräne Nationalstaaten auf der Grundlage der Verständigung auf gemeinsame Traditionen, Rechtsauffassungen und Werte zusammenschließen. Nicht um einen europäischen Superstaat zu schaffen, sondern um als freie und gleichberechtigte Nationen in militärischen und sicherheitspolitischen Fragen, in Außen- und Handelspolitik eng zusammenzuarbeiten, ohne sich zum Anhängsel oder Festlandsdegen der transatlantischen Supermacht zu machen.

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