© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Die Stunde der Kleinen
Europawahl: Bundeswahlausschuß in Berlin läßt 25 Parteien zu
Falko Teuber

Wenn ein Mann in Schottenrock und Wanderschuhen mit verschiedenfarbigen Schnürsenkeln den Anhörungssaal 3.101. des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in Berlin betritt, ist das nicht alltäglich. Wer ist dieser Mann? fragten sich die Ausschußmitglieder, Parteienvertreter und interessierten Bürger, die sich in der vergangenen Woche zur Sitzung des Bundeswahlausschusses versammelt hatten.

Sie mußten nicht lange auf die Auflösung warten: Es war Ingmar Vetter, Sprecher der Grundrechtspartei. Als der Abstimmungs-Marathon des Bundeswahlausschusses über die Zulassung der Parteien zur Europawahl am 25. Mai begann, unterbrach Vetter sogleich die einleitenden Worte des Bundeswahlleiters und Ausschußvorsitzenden Roderich Egeler. Mit Nachdruck vertrat er die Auffassung, daß der Ausschuß überhaupt nicht beschlußfähig sei und begann ein mehrseitiges Manuskript zu verteilen. Nach mehrmaligem Hinweis, die permanente Störung zu unterlassen, verwies der überrascht wirkende Egeler Vetter schließlich des Saales. Doch riß sich dieser vom zur Hilfe gerufenen Mitarbeiter des Ordnungsdienstes los und stürzte auf den Vertreter der Satirepartei „Die Partei“ Martin Sonneborn zu. Mit den Worten „Verteilen Sie das für mich!“ drückte er dem früheren Titanic-Chefredakteur einen Karton mit den Kopien seines Manuskripts in die Hände.

Weniger lautstark, aber durchaus kontrovers verlief danach die Diskussion über die Zulassung der Alternative für Deutschland (AfD). In der fast einstündigen Aussprache ging es um mehrere Beschwerden, die aus den eigenen Reihen der AfD kamen und sich gegen die Zulassung der Partei zur Europawahl richteten. Die Einsprüche monierten unter anderem die Redezeitbegrenzung für die Kandidaten auf dem Europalistenparteitag in Aschaffenburg und Berlin sowie das dort teilweise zum Einsatz gekommene Blockwahlverfahren und die Erfassung eines elektronischen Stimmungsbildes. Nachdem die Einsprüche ausführlich besprochen und teilweise mit Verweis auf das Bundesverfassungsgericht abgewiesen wurden, erfolgte mit zwei Gegenstimmen die Zulassung der AfD.

Rentnerpartei hadert mit dem Schicksal

Weniger Glück hatte dagegen die Rentnerpartei Deutschlands. Ihr Antrag, bei der Wahl anzutreten, wurde aus formalen Gründen abgelehnt. Ein Sprecher kündigte sogleich an, seine Partei werde vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Er verwies darauf, daß seine Partei bei der Europawahl 2009 mit einem Sitz ins Parlament eingezogen wäre, hätte es die Fünfprozenthürde schon damals nicht gegeben. Der Ärger der Rentnerpartei ist verständlich: Mit dem Wegfall sämtlicher Sperrklauseln durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (JF 10/14) sind die Chancen für einen Einzug in das Europaparlament so gut wie nie zuvor.

Zu den Parteien, denen die Sitzung des Bundeswahlausschusses Hoffnung auf einen Sitz in Brüssel und Straßburg machen kann, zählt auch Sonneborns „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“, kurz: „Die Partei“. Ihre politische Ernsthaftigkeit wird jedoch von manchen Experten in Frage gestellt, ahmt sie doch Merkmale und Wahlkampfmethoden anderer Parteien nach. Sie selbst versteht sich als eine Partei mit parodistisch-satirischem Charakter. Ihr Name ist eine Anspielung auf die Beliebigkeit der Verwendung von Begriffen in der Politik. Zur Europawahl 2009 war „Die Partei“ nicht zugelassen. Spitzenkandidat für die kommende Europawahl ist Martin Sonneborn.

Zum zweiten Mal nach 2009 treten die Freien Wähler an. Damals erreichten sie 1,7 Prozent der Stimmen und wäre ohne die Fünfprozenthürde bereits im Europaparlament vertreten. Die Freien Wähler verfügen besonders in Süddeutschland über starke kommunale Wurzeln. In Bayern sitzt die Partei zudem im Landtag. Neben der Stärkung der Kommunen, stehen im Europawahlprogramm der Freien Wähler Themen zu Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Vordergrund. Darüber hinaus treten sie für die Schließung des zweiten europäischen Parlamentssitzes in Straßburg ein. Spitzenkandidatin ist Ulrike Müller, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag ist. Die landwirtschaftliche Hauswirtschafterin ist bereits seit 1987 bei den Freien Wählern aktiv und verfügt daher über kommunalpolitische Erfahrungen.

 

Zugelassene Parteien

1. Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)

2. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

3. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE)

4. Freie Demokratische Partei (FDP)

5. Die Linke

6. Christlich-Soziale Union in Bayern e. V. (CSU)

7. Die Republikaner (REP)

8. Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei)

9. Familien-Partei Deutschlands (FAMILIE)

10. Piratenpartei Deutschland (PIRATEN)

11. Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)

12. Partei Bibeltreuer Christen (PBC)

13. Ab jetzt ... Demokratie durch Volksabstimmung – Politik für die Menschen (Volksabstimmung)

14. Bayernpartei (BP)

15. Christliche Mitte – Für ein Deutschland nach GOTTES Geboten (CM)

16. AUF – Partei für Arbeit, Umwelt und Familie, Christen für Deutschland (AUF)

17. Deutsche Kommunistische Partei (DKP)

18. Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)

19. Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten Internationale (PSG)

20. Alternative für Deutschland (AfD)

21. Bürgerbewegung pro NRW (PRO NRW)

22. Freie Wähler

23. Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)

24. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)

25. Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei)

 

Europawahl

Mit dem Slogan „Handeln. Mitmachen. Bewegen.“ wirbt das Europaparlament für die Beteiligung an der Wahl am 25. Mai 2014. Wahlberechtigt sind in diesem Jahr 64,4 Millionen Deutsche. Um die 96 von 766 Mandaten des Europaparlaments, die an Deutschland vergeben werden, bewerben sich 25 Parteien.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht Ende Februar die Dreiprozenthürde für verfassungswidrig erklärt hat haben auch zahlreiche kleinere Parteien die Chance, mindestens einen Abgeordneten nach Brüssel zu schicken. Dazu muß jede Partei mindestens 0,5 Prozent der gültigen Stimmen erhalten.

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