© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Alle Türen offenhalten
Serie „Rechtsparteien in der EU“: Timo Soini und seine Wahren Finnen können von der Unzufriedenheit der Finnen mit der EU zehren
Anni Mursula

Die finnische Grenze zu Rußland mißt 1.300 Kilometer. „Das ist ein Fakt, der sich nicht leugnen läßt, egal welche Politik unser Ostnachbar treibt“, unterstrich der Vorsitzende der Wahren Finnen (PS), Timo Soini, vergangene Woche im finnischen Parlament, als es dort wegen der Krim-Krise hoch herging. Finnland müsse sich deshalb um gute bilaterale Beziehungen bemühen, statt sich von der Europäischen Union in politische Konflikte mit hineinziehen zu lassen, warnte der Oppositionschef.

EU soll auf Handelsunion beschränkt bleiben

Ein einfacher Gedanke, doch in ihm zeigt sich gleichzeitig die EU-politische Linie der Wahren Finnen, als auch die gesamte außenpolitische Strategie des kleinen neutralen Landes seit dem Zweiten Weltkrieg: immer geschickt zwischen den Großmächten balancieren und nur gerade soviel Rückendeckung aus dem Westen holen, daß der russische Bär dadurch nicht geweckt wird. Diese Fähigkeit hat Finnland seine Unabhängigkeit während des Kalten Kriegs bewahrt, im Gegensatz zu den baltischen Nachbarn.

Daß ein derartiges neutrales Raushalten in der momentanen Konstellation mit der EU nicht möglich ist, weiß Soini auch. Dies ist ein Grund dafür, warum seine Partei eine umfassende Reform der Union mit neuen Verträgen, starken Nationalstaaten und mehr direkter Demokratie fordert: Die EU soll lediglich eine Handelsunion sein und auf keinen Fall zu einer politischen Föderation werden, mit noch mehr Solidaritätsverpflichtungen. Austreten aus der EU will Soini jedoch nicht, denn das würde seiner Meinung nach den finnischen Interessen nicht gerecht werden und das kleine Land in wichtigen Fragen handlungsunfähig machen.

Um die Handlungsfähigkeit zu sichern, möchte der PS-Chef den Einfluß seiner Partei bei der kommenden Europawahl am 25. Mai „maximieren“. Um sich alle Türen offenzuhalten, betont Soini, der bis 2011 im EU-Parlament saß, daß über die Fraktionszugehörigkeit erst nach der Wahl verhandelt wird und daß es für die Wahren Finnen in Brüssel „viele Möglichkeiten“ gibt. Sie müßten keineswegs bei ihrer jetzigen von Nigel Farage gegründeten EU-Fraktion „Europa der Freiheit und der Demokratie“ (EFD), der neben der UKIP unter anderem die Dänische Volkspartei und die Lega Nord angehören, bleiben. „Ich verhandele aber niemals in der Öffentlichkeit. Wenn alles fertig ist, dann wird erst das Ergebnis präsentiert.“

Deutlichere Worte als sein Parteichef findet der einzige EU-Abgeordnete der Wahren Finnen (Finnland stellt insgesamt 13 Parlamentarier), Sampo Terho, der für Soni nachgerückt ist: Er wünscht sich „vollkommene Salonfähigkeit“. Eine Zusammenarbeit mit Geert Wilders und Marine Le Pen schließt er daher aus.

Bislang galten die Wahren Finnen, die sich selbst als populistisch bezeichnen, trotz ihrer Wahlerfolge eher als hinterwäldlerisch. Obwohl sie bei der Parlamentswahl vor drei Jahren mit 19 Prozent drittstärkste Partei Finnlands wurden, hat sich kaum jemand in der Öffentlichkeit dazu bekannt, sie tatsächlich gewählt zu haben. Der Grund: Bislang hatte die Partei eher auf provokative und kontroverse Themen wie die Bekämpfung von Masseneinwanderung, Islamisierung, Homoehe, Ausländerkriminalität und den Kampf gegen die Euro-Rettungsmaßnahmen gesetzt.

Obwohl die Mehrheit der Finnen die PS immer noch als zu provokant empfindet, stehen sie derzeit in Umfragen zur Europawahl bei 16 Prozent. Das wäre ein Plus von sieben Punkten im Vergleich zum Urnengang von 2009. Für das steigende Interesse gibt es eine Mischung verschiedener Gründe: ihre präsente Rolle als größte Oppositionspartei, die wachsende Unzufriedenheit mit der EU seit den Euro-Rettungspaketen, aber eben auch die Vorgänge in der Ukraine.

Denn erstaunlicherweise bewirkt die Krim-Krise bei vielen Finnen eher das Gegenteil, als anzunehmen wäre: Sie rückt das skandinavische Land aus Angst vor Rußland keineswegs näher an die EU, sondern paradoxerweise an Rußland. Das stärkt die EU-kritische Haltung im Land, was wiederum den Wahren Finnen bei der kommenden Wahl helfen könnte.

Neben der PS gibt es in Finnland keine weiteren dezidiert EU-kritischen Parteien. Doch die steigende Skepsis der Bürger wird in allen Parteien wahrgenommen: PS-Europarlamentarier Terho glaubt sogar, daß sich „zwei Drittel der Kandidaten im Mai als EU-Kritiker bezeichnen werden“. Die ländlich-liberale Zentrumspartei (Kesk) beispielsweise schickt neben einem der renommiertesten Unionsbefürworter, EU-Währungskommissar Olli Rehn, mit Paavo Väyrynen auch einen etablierten EU-Kritiker ins Rennen. Doch die uneindeutige Haltung der Parteien zur EU dürfte bei vielen Finnen eher für Verwirrung sorgen. Sie deuten die plötzliche EU-Skepsis der Parteien als rhetorische Finte. Und das dürfte den Wahren Finnen nutzen, die sich als Original präsentieren können. Denn die Wähler glauben bei ihnen wenigstens, auch das zu bekommen, was sie bestellt haben.

 

EUROPAWAHL

Die Europawahl am 25. Mai 2014 wirft ihre Schatten voraus. Vielen EU-Ländern steht laut Meinungsumfragen eine Überraschung bevor. „EU-Skeptiker im Aufwind“, „Warnung vor Erfolg der Rechtspopulisten“ lauten die negativen Schlagzeilen. Doch um welche Parteien handelt es sich? Welche Zielsetzungen haben sie? Mit wem arbeiten sie zusammen? In Folge wird die JF-Serie sämtliche Rechtsparteien in den Staaten der Europäischen Union beleuchten. Teil zwei der Reihe beschäftigt sich mit Finnland und der Partei Wahre Finnen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen