© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Dorn im Auge
Christian Dorn

Deus ex „Maschine“ oder: Die Geburt der Ostalgie aus dem Geist der Puhdys. In der Zeitung lese ich ein Porträt über Dieter „Maschine“ Birr, den Kopf der einstigen DDR-Staatsrockband. Zu seinem 70. Geburtstag erscheinen Solo-Album und Autobiographie, beide unter dem Titel „Maschine“. Meine jüngste Freude, die Puhdys würden sich dieses Jahr mit einer Abschlußtournee endgültig verabschieden, war also wieder einmal verfrüht. Hatte ich doch geglaubt, daß damit endlich ein Teil DDR stirbt, der längst hätte verschwinden sollen. Ein Irrtum!

Was haben wir in der Schule – Ende der achtziger Jahre an der EOS Bertolt Brecht in Halberstadt – die ZK-Rocker gehaßt, diese kulturpolitischen Exponenten der DDR-Diktatur. Entsprechend freuten wir uns, wenn Mitschüler vom Wochenende in Berlin („Hauptstadt der DDR“) berichteten, wo die Staatsrocker bei Auftritten von Punks mit Tomaten und Eiern beworfen und ausgebuht worden waren. Mit dem Ende der DDR war zumindest für mich klar, daß dieser opportunistische Musikantenstadl mit dem zum Davonlaufen ollen DDR-Gesang hinreichend öffentlich diskreditiert war, als daß jemals noch ein Puhdys-Konzert auf deutschem Boden steigen würde. Der NDW-Song „Ich möchte ein Eisbär sein“ hätte damals genausogut lauten können: „Ich möchte kein Puhdy sein, denn das ist ja klar – Genosse werden ist nicht meins, ihr könnt mich alle mal.“

Ideologische Indienstnahme: Es war wohl in der elften Klasse, als ich mein Goldenes Abzeichen für Wissen mit der Interpretation des Puhdys-Songs „Alt wie ein Baum“ erwerben sollte: das Liedgut ausdeutend als Bekenntnis zur „sozialistischen Menschengemeinschaft“. Zwanzig Jahre später nach einem Konzert, beim alljährlichen Weihnachtsempfang der Band, stand ich neben „Maschine“ und seiner Freundin, beiden von dieser Begebenheit berichtend. Reaktion der Freundin: „Super, das ist doch toll gewesen! Heute gibt es so was doch nicht mehr.“

Wahrscheinlich wäre es besser, mich nicht mehr zu ärgern: Seit Bundeskanzler Schröder den Puhdys als den „ostdeutschen Stones“ in der ARD zum Bandjubiläum gratulierte, ist diese Geschichte sowieso verloren. Rocksänger André Herzberg von der Band Pankow, den eigentlichen „Stones des Ostens“, kommentierte dies einst so: „Die können nichts dafür. Die sind einfach so“, sie seien „ein deutsches Phänomen: Schunkeln, Fußball gut finden am Wochenende und eine geschnitzte Kuckucksuhr an der Wand.“

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