© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Fürstliche 180 Tage
Vor einhundert Jahren bestieg Prinz Wilhelm zu Wied den Thron von Albanien
Volker König

Kompositionen von Wagner und Tschaikowsky sowie preußische Märsche umrahmten am Abend des 21. Februar 1914 ein feierliches Bankett im Festsaal des Schlosses von Neuwied. Unter den Gästen befanden sich etliche mit orientalischen Gesichtszügen. Es waren die 18 Angehörigen einer albanischen Delegation, die allen Grund zu feiern hatten: Wilhelm Prinz zu Wied hatte soeben die Krone des neu ins Leben gerufenen Fürstentums Albanien angenommen. Angetragen hatte sie ihm Essad Pascha, einst ein einflußreicher osmanischer Politiker in dem Land an der Adria.

Albanien war, wie der größte Teil des Balkans, seit dem Mittelalter ein Teil des Osmanischen Reiches gewesen. Als das einst mächtige Sultansreich aber immer mehr zum „kranken Mann am Bosporus“ verfiel, begann der Verteilungskampf um seine europäischen Gebiete. Im Ersten Balkankrieg 1912 waren sich Griechenland, Serbien, Montenegro und Bulgarien einig gegenüber den Türken; dann aber löste der Streit über die ihnen zugefallene Beute, darunter Albanien, den Zweiten Balkankrieg aus. Er führte zur Besetzung Albaniens durch drei der streitenden Kriegsparteien. Chaos und Anarchie herrschten im Land der Skipetaren.

Wilhelm II. hielt nichts von dem „Unsinn mit Albanien“

Erst auf Druck der im Dezember 1912 von den europäischen Großmächten Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien, England, Frankreich und Rußland einberufenen Londoner Außenministerkonferenz einigte man sich darauf, daß Albanien „als erbliches Fürstentum unter der Garantie der sechs Mächte errichtet“ werde.

Da Albanien konfessionell zwischen Katholiken, Orthodoxen und Moslems gespalten war, verständigte man sich darauf, einen Monarchen zu suchen, der keiner der drei Konfessionen angehören sollte. Osmanische Ambitionen, die Essad Pascha als König unter türkischem Protektorat vorsahen, scheiterten. Denn ein protestantischer deutscher Prinz galt als die beste Wahl. Darin lag auch eine gewisse Kontinuität für den Balkan, denn schließlich erhielt das souveräne Griechenland einen Wittelsbacher für seinen Thron, während die Krone von Rumänien an das Haus Hohenzollern-Sigmaringen ging und der bulgarische Zar dem Geschlecht Sachsen-Coburg-Gotha entstammte.

Unter dem halben Dutzend Thronaspiranten war Wilhelm Prinz zu Wied zunächst nicht dabei. Er kam erst im Frühjahr 1913 ins Gespräch und fühlte sich eher überfordert. Seinem Bruder Victor, Legationsrat an der deutschen Gesandtschaft in Norwegen, schrieb er, daß er wegen seiner Thronkandidatur vielerorts verhöhnt werde. Auch Kaiser Wilhelm II. hielt nichts von dem „Unsinn mit Albanien“. Letztlich folgte der Prinz dem Werben vor allem Österreich-Ungarns als dessen Wunschkandidat.

Der 1876 geborene Wilhelm zu Wied war Berufssoldat, der in preußischen Regimentern in Berlin und Potsdam gedient hatte. Politische Erfahrung und diplomatisches Geschick waren ihm so fremd wie die Sprache und Gebräuche jenes Landes, dessen Boden er und seine Gattin Sophie am 7. März erstmals in Durrës betraten, von der Bevölkerung freundlich und hoffnungsfroh begrüßt.

Der Fürst residierte recht bescheiden in einem Palast, der eigentlich nur eine Stadtvilla war. Auf zuverlässige Ratgeber konnte er sich nicht stützen, und die gerade erst im Aufbau befindliche Gendarmerie unter dem Befehl niederländischer Offiziere bot nicht die starke Hand, um in jenen Gebieten durchzugreifen, wo etablierte Stammesfürsten weiterhin die Politik bestimmten.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte zur völligen Destabilisierung. Albanien erklärte sich für neutral, aber in Mittelalbanien brach ein muslimischer Aufstand aus, der die Rückkehr des Landes zur Türkei anstrebte. In dieser aussichtslosen Lage verließ Wilhelm Prinz zu Wied am 3. September nach nur sechs Monaten Regentschaft sein Land.

Abgedankt hat der Fürst nie, und während er in der deutschen Armee als Offizier kämpfte, forderte er beharrlich seine Wiedereinsetzung als Monarch. 1925 siedelte er nach Rumänien über, wo er 1945 verstarb. Zeitgenossen beschrieben ihn übereinstimmend als integre Persönlichkeit, deren Tragik es war, zur falschen Zeit am falschen Ort ihren kurzen historischen Auftritt zu haben.

Foto: Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied: Galt als beste Wahl

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