© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Kolonial-Kondottiere Wissmann: „Leutnantsimperialismus“ in Deutsch-Ostafrika
Die Praxis entgrenzter Gewaltausübung
(ob)

Kaum als Kolonie des wilhelminischen Reiches reklamiert, geriet Deutsch-Ostafrika 1888 durch Aufstände lokaler Eliten in eine Krise. Da Reichskanzler Bismarck keine regulären Soldaten zu deren Niederschlagung entsenden wollte, schlug die Stunde des Afrikaforschers und „Kondottiere“ Hermann von Wissmann. Mit einer Truppe von achtzig deutschen Unterführern und 900 schwarzen Söldnern gelang es ihm bis 1890, die Widerstände zu brechen und das Schutzgebiet derart zu befrieden, daß es in unmittelbare Reichsverwaltung übernommen werden konnte. Ein Resultat, das keineswegs Ziel von Wissmanns „Leutnantsimperialismus“ gewesen sei, wie die Berner Historikerin Tanja Bührer betont (Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung, 2/2013). Um seinen „ruhmreichen Status“ als Kolonialheld zu bewahren, wollte der 1891 verabschiedete Wissmann die Region lieber im „deregulierten Zustand“ halten, da sich nur in einer solchen Randzone staatlicher Souveränität seiner persönlichen Herrschaft große Handlungsspielräume geöffnet hätten. Derartige Autokraten duldete die Berliner Kolonialverwaltung aber auch an der imperialen Peripherie nicht, obwohl sie das Beispiel seiner „Kriegspraxis entgrenzter Gewaltausübung“ für die Schutztruppe Deutsch-Ostafrikas als vorbildlich übernahm.

www.comparativ.net

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