© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Ein Hoffnungsträger auf Abwegen
FDP: Der Werdegang von Jorgo Chatzimarkakis steht stellvertretend für den Niedergang der Liberalen
Christian Schreiber

Einst galt Jorgo Chatzimarkakis als Ziehsohn von Jürgen Möllemann. Wie sein Mentor, der 2003 bei einem Fallschirmsprung ums Leben kam, stach der Deutsch-Grieche als glänzender Redner mit populistischen Tendenzen hervor. Nun ist das Kapitel FDP für den 47jährigen beendet. Nach 10 Jahren als Abgeordneter im Europäischen Parlament, nach 10 Jahren als Generalsekretär im Saarland, nach 16 Jahren im Bundesvorstand: „Ich habe dieser Partei viel zu verdanken. Aber jetzt möchte ich endlich wieder authentisch sein und in Griechenland Politik machen, wo ich ja auch meine Wurzeln habe“, begründete er Ende Februar in der taz seinen Austritt.

Verlust des Doktortitels

Eine große Rolle spielte der gebürtige Duisburger am Ende weder auf Bundesebene noch in seiner Wahlheimat Saarland. Dorthin hatte es ihn um die Jahrtausendwende verschlagen – aus Karrieregründen versteht sich. Im heimischen Nordrhein-Westfalen war das Gedränge um Spitzenpositionen zu groß, außerdem bot sich der traditionell marode Landesverband an der Saar zum Aufstieg geradezu an. „Chatzi“, wie er alsbald plakatiert wurde, verbündete sich mit dem damaligen Hoffnungsträger Christoph Hartmann. Die Rechnung ging auf – 2004 zog er ins Europaparlament ein, gleichzeitig feierte die Landes-FDP ihr parlamentarisches Comeback. 2009, auf dem Höhepunkt des FDP-Erfolgs, wurde er wiedergewählt, und während der Griechenland-Krise präsentierte er sich als europäisches Gewissen seiner Partei. Damit ging er vielen Liberalen mächtig auf die Nerven, es verging kaum eine Talkshow zum Thema ohne Chatzimarkakis’ Anwesenheit.

Die Bodenhaftung, so bescheinigen ihm einstige Weggefährten, hatte er da schon längst verloren. Den Generalsekretärsposten im Saarland warf er weg wie eine zu eng gewordene Jacke, den Dienstwagen der Landtagsfraktion fuhr er dennoch weiter. Als er schließlich noch seinen Doktortitel im Zuge der Plagiatsaffäre verlor, war sein Stern bereits gesunken. Mit seinem Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur habe er ein Scheitern auf dem Parteitag verhindern können, sagen Kritiker. Er selbst streitet ein solches Kalkül ab. „Warum hätte ich denn nicht wieder aufgestellt werden sollen? Hätte es einen glaubwürdigeren Vertreter für die antigriechische Politik der FDP gegeben als jemanden mit einem griechischen Namen?“ tönte er in der taz. Doch das ist wohl nur die halbe Wahrheit. Während er im heimischen Verband nur noch selten gesehen wurde, tourte er ständig von Brüssel nach Kreta, in die Heimat seine Vaters.

Mittlerweile ist er permanent in Griechenland, der Wahlkampf hat begonnen. Zweieinhalb Monate hat er noch Zeit, um „sein Projekt“, wie er es nennt, voranzubringen. Derzeit tingelt er durch lokale Fernseh- und Radiosender, trifft Bürgermeister, schüttelt Hände und macht Werbung für seine neue Partei „Griechische Europäische Bürger“. 150.000 Stimmen wird er für einen Einzug ins Europaparlament brauchen, Beobachter halten dieses Unterfangen für nicht einmal aussichtslos. Denn in der griechischen Politik geht es drunter und drüber, feste Parteienbindungen sind selten geworden. „Odysseus ist zurück in Ithaka“, begann Chatzimarkakis seine erste Rede als Parteichef, „Chatzi“ mag es gerne pathetisch. „Mein Herz“, erzählte er der Welt, „war schon damals für Griechenland. Aber mein Verstand hat mir gesagt: Bleib in Deutschland.“ 14 Jahre alt war Chatzimarkakis zu diesem Zeitpunkt, die Eltern ließen sich scheiden, der Vater ging zurück nach Griechenland.

Auf seine binationale Herkunft weist der Ex-Liberale gerne hin, bezeichnet sich stolz als „Arbeiterkind aus dem Ruhrgebiet“. Nun hat er mit seiner politischen Heimat gebrochen und wohl auch mit Deutschland: „Die Leute verstehen mich. Ich werde mittlerweile als griechischer Patriot wahrgenommen, der nichts mehr mit Merkels Euro-Politik zu tun haben möchte.“ Für die frühere schwarz-gelbe Bundesregierung hat er nur noch Verachtung übrig: „Ich bin gegen das Merkel-Barroso-Europa. Der frühere Parteichef Philipp Rösler hat mit Merkel soviel Schwachsinn in der Euro-Krise gemacht, da hört bei mir die Freundschaft auf. Innerlich habe ich schon lange abgeschlossen.“

Sein neues Programm bleibt unterdessen vage. Chatzimarkakis will einen Bundestaat Europa, er ist für eine Bankenunion und für eine Vergemeinschaftlichung von Schulden. Und frei nach dem Motto „Am griechischen Wesen soll die Welt genesen“ sieht er ausgerechnet das bankrotte EU-Sorgenkind als Motor einer neuer europäischen Bewegung: „Hellas kann Europa retten. Seine klassischen Werte – Autonomie, Mitmachdemokratie, Freiheit im Staat, nicht vom Staat, Gemeinsinn und Glück – bieten Parameter, wie wir Hellenen eine nachhaltige Gesellschaft werden können“, erklärt er. Sollte er bei der Europawahl im Mai dennoch scheitern, wolle er sich als Bauer auf Kreta zur Ruhe setzen. Mit der Politik werde er dann „abschließen“, kündigte er unlängst an. Gerade in der FDP gibt es viele Menschen, die ihn sofort beim Wort nehmen würden.

Foto: Jorgo Chatzimarkakis (2012): „Ich möchte endlich wieder authentisch sein“

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