© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Er verkörperte den englischen Gentleman
Film: Zur Erinnerung an den vor hundert Jahren geborenen britischen Charakterdarsteller Alec Guinness
Markus Brandstetter

Über das filmische Heldenepos „Krieg der Sterne“ gibt es vollkommen gegensätzliche Meinungen. Die einen denken, daß „Krieg der Sterne“ so ziemlich das größte Film-ereignis seit „Metropolis“ von Fritz Lang ist. Die anderen meinen, daß diese ganze verworrene Weltraumsaga mit ihrer unverständlichen Handlung, die sich keiner merken kann, den hölzernen Charakteren, der flachen Geschichte, die nur vom Gegensatz von Gut und Böse und der Tricktechnik lebt, und den durchweg schlechten Schauspielern ein vollkommen überschätzter Mist ist.

Das breite Publikum kümmert die Kritik an „Star Wars“ jedoch gar nicht, für die ist das Filmepos Kult und Teil einer Welt moderner Mythen, zu der auch „Der Herr der Ringe und „Harry Potter“ gehören, eine Hollywood-Fantasy-Scheinwelt also, die viele zum geistigen Überleben in einer kalten Welt ohne Religion durchaus nötig haben. Die Weltraum-Saga hat Milliarden an Tantiemen eingespielt, George Lucas, den Erfinder, Drehbuchautor und Regisseur der ersten Teile, zum Milliardär gemacht und ganz nebenbei eine eigene Industrie von Büchern, Comics, Computerspielen und Merchandising-Artikeln begründet, die ebenfalls milliardenschwer ist.

Und die Schauspieler der ersten drei Folgen sind gar nicht einmal alle so schlecht, wie die Kritiker immer tun: Harrison Ford hat eine Weltkarriere hingelegt, und überhaupt: Wer braucht schon Shakespeare-Darsteller für derartige Filme? Dabei hat ja ein Shakespeare-Darsteller sogar mitgespielt, und ein sehr prominenter noch dazu, ein Mann, der 54 Jahre lang auf britischen Theaterbühnen insgesamt 77 Rollen gespielt hat, ein zuletzt grauhaariger, distinguierter, nobler Mann, der in Filmen wie die Verkörperung des englischen Gentleman schlechthin wirkte. Die Rede ist von Alec Guinness, der am 2. April 1914 in London geboren wurde und zu den großen britischen Bühnen- und Filmschauspielern des 20. Jahrhunderts zählte.

In den ersten drei Folgen von „Krieg der Sterne“ spielt er den weisen alten Obi-Wan Kenobi, der bei Katastrophen immer zur richtigen Zeit als Retter auftaucht und in einem denkwürdigen Duell sogar Darth Vader, dem Bösewicht der Trilogie, gegenübertritt. Mit diesen Rollen lebt Alec Guinness bis heute in der Erinnerung vieler Menschen fort, auch wenn dies bei weitem nicht seine beste Rolle war.

Seine lukrativste war es aber auf jeden Fall, denn der britische Mime war nicht nur ein großer Darsteller, sondern in Finanzangelegenheiten auch ein schlauer Fuchs. Im Gegensatz zu vielen anderen Mitwirkenden war Guinness von Anfang an davon überzeugt, daß „Krieg der Sterne“ ein Riesenerfolg sein würde, weshalb er aushandelte, daß er zusätzlich zu seiner festen Gage zwei Prozent der Einnahmen bekommen würde, die George Lucas, der Spiritus rector des Unternehmens erhielte. Guinness hat mit seiner Einschätzung recht behalten: die zwei Prozent beliefen sich irgendwann auf fünfeinhalb Millionen Euro.

Guinness konnte, wie er in seiner witzigen und immer noch lesenswerten Autobiographie „Das Glück hinter der Maske“ schrieb, allein davon den Rest seines Lebens komfortabel leben. Er hätte nie wieder eine Rolle annehmen müssen.

Seine Mutter verschwieg ihm den Namen des Vaters

Als Alec Guinness im August 2000 an Leberkrebs starb, da ging ein wahrhaft erfolgreiches Leben zu Ende. Der Schauspieler hatte schon 1957 den Oscar für seine Rolle als prinzipientreuer Oberstleutnant Nicholson in „Die Brücke am Kwai“ erhalten, wurde 1959 zum Commander of the Most Excellent Order of the British Empire ernannt und noch zweimal für einen Oscar nominiert, einmal sogar als Drehbuchschreiber.

Aber das hätte alles ganz anders kommen können. Guinness wurde als unehelicher Sohn einer kalten Frau, die er nie besonders mochte und in seiner Autobiographie als Hure bezeichnet, geboren und wußte sein Leben lang nicht, wer sein Vater war. Es gab immer Spekulationen, daß der Schauspieler ein Sproß der irischen Brauerei-Dynastie Guinness war, vermutlich jedoch war sein Vater ein schottischer Bankier, der Guinness teures Privatgymnasium finanzierte und ihn ab und zu als „Onkel“ besuchte.

Im Zweiten Weltkrieg hat er seinem Land gedient

In der ersten Phase seines Lebens hat Guinness große Shakespeare-Rollen gespielt, er war Romeo, Hamlet und Macbeth, hat Hauptrollen in den großen Königsdramen ebenso übernommen wie in Shakespeares Komödien. Im Zweiten Weltkrieg hat er, wie viele britische Künstler und Intellektuelle, seinem Land gedient und als Mitglied der Royal Navy 1943 bei der Landung der Alliierten in Sizilien ein Landungsboot befehligt – etwas, das man einem Gustaf Gründgens nicht unbedingt zugetraut hätte.

Nach dem Krieg ging es dann mit Guinness’ Filmkarriere so richtig los. Seinen Durchbruch erlebte er in Schwarzen Komödien wie „Adel verpflichtet“ (1949), „Der Mann im weißen Anzug“ (1951) und „Ladykillers“ (1955). Neben Laurence Olivier, mit dem ihn eine respektvolle, wenn auch distanzierte Freundschaft verband, war Alec Guinness der zweite große britische Bühnenschauspieler, der eine die Welt umspannende und Jahrzehnte dauernde Filmkarriere hinlegte.

Der große Regisseur, mit dem Guinness’ Karriere aufs engste verknüpft ist, war David Lean (1908–1991). Acht Filme haben sie zusammen gedreht, darunter „Die Brücke am Kwai“, „Lawrence von Arabien“, „Doktor Schiwago“ und „Reise nach Indien“, Filme, in denen Guinness einen arabischen Prinzen, einen bolschewistischen General und einen indischen Philosophen spielen mußte, wobei es ihm gelang, die individuellen Akzente der dargestellten Figuren jeweils überzeugend nachzuahmen.

In den siebziger Jahren trat neben Theater und Film das britische Fernsehen in Alec Guinness’ Leben, wo er eine dritte Kariere begann. In einem Film nach der Romanvorlage von John le Carré, „Dame, König, As, Spion“, spielte Guinness die britischste aller britischen Rollen, nämlich die des Chefs des britischen Geheimdienstes, der einen Verräter in den eigenen Reihen entlarven muß.

Le Carrés Buch hat einen realen und für die Briten gleichermaßen peinlichen wie schmerzlichen Skandal zum Vorbild: Fünf intellektuelle Engländer aus guten Familien, die typischen Salon-Kommunisten, allesamt Absolventen der Universität Cambridge, die sogenannten Cambridge Five, haben als Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes jahrzehntelang Staatsgeheimnisse an die Sowjets verkauft und dabei die Sicherheit des Westens und der Nato planmäßig unterminiert. Guinness spielt den Meisterspion und Geheimdienstchef George Smiley als einen ebenso wortkargen wie verschwiegenen alten Fuchs, der – bei aller Höflichkeit – ebenso hart wie moralisch integer agiert.

Am bekanntesten jedoch blieb Alec Guinness in Deutschland nicht mit einem seiner großen Filme, sondern mit dem sympathischen Fernsehfilm „Der kleine Lord“ aus dem Jahr 1980, in dem Guinness einen alten und standesbewußten britischen Earl spielt, der von seinem amerikanischen Enkel zuerst nichts wissen will, durch die frische und direkte Art des Knaben jedoch einen späten Weg zu Güte und Menschlichkeit findet. Seit 1982 wird der Film immer kurz vor Weihnachten ausgestrahlt und besitzt inzwischen Kultstatus.

Foto: Alec Guinness als Earl of Dorincourt in „Der kleine Lord“ (1980): Jedes Jahr im Fernsehen ausgestrahlt, besitzt der Film inzwischen Kultstatus

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