© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Leserbriefe

Zu: „Der Weckruf“ von Christian Vollradt, JF 13/14

Putin liegt total falsch

Putins Argumente zur Annexion der Krim entsprechen nicht den Tatsachen. Er liegt auch falsch, wenn er behauptet, die deutsche Wiedervereinigung sei ein Verdienst der Sowjetunion. Das Gegenteil ist richtig. Die Sowjetunion hat die Teilung Deutschlands erzwungen und bis zuletzt daran festgehalten. Das Verdienst der Wiedervereinigung ist allein einer Person zu verdanken: Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Berufs-Beschwichtiger, wie etwa Steinmeier, werden in dieser Angelegenheit ebenso scheitern wie seinerzeit Chamberlain, der durch seine Appeasement-Politik den Aufstieg Hitlers erst ermöglichte und dadurch den Zweiten Weltkrieg mit auslöste. Wir stehen heute vor einer Neuauflage des „Kalten Kriegs“, wenn der Westen wieder Schwäche zeigt und versagt.

Herbert Gaiser, München

 

Kreml mit falschem Maßstab

Es ist schon erstaunlich, wie hemdsärmlig „Väterchen“ Putin zu Werke geht und wie schnell es Rußland zuwege brachte, sich mit der Krim „wiederzuvereinigen“. War da vielleicht etwas viel länger vorbereitet, als es den Anschein hat? Wurden die Proteste in der Ukraine allein vor diesem Hintergrund „angezettelt“, und hat sich der Westen damit blauäugig in die Pläne Rußlands einspannen lassen?

Interessant ist noch ein anderer Gesichtspunkt: Argumentiert wird, die Krim sei „russische Erde“ und „immer Bestandteil Rußlands“ gewesen, und die Weggabe der Krim an die Ukraine in den 1950er Jahren sei gar nicht wirksam, da der „Oberste Sowjet“ dafür gar nicht zuständig gewesen sei. Die Krim sei bis zu diesem Zeitpunkt rund 200 Jahre „russisch“ gewesen.

Zu welchem Ergebnis gelangte man wohl, wendete man diese Maßstäbe auf den nördlichen Teil Ostpreußens (die Gegend um Königsberg) an, die zum Zeitpunkt der Annektierung und „Grenzneuziehung“ durch die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg rund 700 Jahre „deutsche Erde“ war? Allerdings war die Sowjetunion dort etwas gründlicher vorgegangen: Eine „Volksabstimmung“ hätte allein schon deshalb kaum Aussicht auf Erfolg, weil sämtliche – nahezu ausschließlich – Deutsche dort ermordet, erschlagen und vertrieben wurden.

Stephan Brandner, Gera

 

 

Zu: „Krim-Krise / Die Balance wahren“ von Dieter Stein, JF 12/14

Sanktion gleich Eskalation

Wir sollten im Jahr 2014 aus der Eskalation von 1914 gelernt haben. Der für die Ukraine, die EU und die USA desaströs ausgegangene Krim-Konflikt hat mit dem maßlosen Ausdehnungsdrang der EU begonnen. Warum mußte die EU die Ukraine mit einem Knebel-Assoziierungsvertrag vor die Wahl Ost- oder Westorientierung stellen? Warum mußten sich die EU und die USA mit einer Flut von Politikerbesuchen in die ukrainische Entwicklung einmischen? Warum haben die Nato, die USA und die EU nicht Rußlands Sicherheitsbedürfnis und Selbstachtung respektiert, indem sie dessen großen unmittelbaren Nachbarstaat als Pufferstaat unangetastet gelassen haben?

Auf der Krim haben die Russen den Anschlußwillen der Mehrheit der Krim-Bewohner vollzogen und mit der Annexion vergleichbar gegen das Völkerrecht verstoßen wie die USA in den letzten 160 Jahren oft gegen Karibik- und nördliche Südamerika-Staaten und gegen asiatische und Pazifik-Staaten.

Wir Westeuropäer und Amerikaner sollten so ehrlich sein, einzugestehen, daß wir mit dem angebotenen Assoziierungsvertrag unseren Markt um 45 Millionen Bürger und ihren Wirtschaftsraum erweitern wollen. Dazu verlangt der Vertrag unter anderem die Privatisierung von Staatsbetrieben und die Abwertung der Landeswährung. Das bedeutet für die Ukrainer zunächst einmal den Ausverkauf von Staatsbetrieben zu Billigpreisen auch an Westeuropäer und Amerikaner und das „Plattmachen“ eines Teils der Arbeitsplätze, wie in der DDR nach 1990, ehe wieder Neues nachwächst.

Nun hat die EU ihren Ausdehnungsdrang überzogen, dem bisher fast immer die Ausdehnung der Nato folgte. Die Russen wollten diesmal nicht riskieren, daß amerikanische Truppen in ein paar Jahren in ihre Stützpunkte und ihren Hafen auf der Krim einziehen und auch dort Raketen stationieren. Sie haben beizeiten die Reißleine gezogen. Was den Amerikanern 1962 auf Kuba recht war, ist den Russen heute auf der Krim billig.

Ich kann nur raten, schnell von der Steigerung der Sanktionen gegen Moskau abzulassen. Sie sind erstens ein wirtschaftlicher Bumerang, zweitens gegen ein autoritäres Regime politisch wirkungslos, und sie bergen drittens das Risiko einer weiteren Eskalation. Auch 1914 schien die Kriegsgefahr zwischen Serbien und Österreich zunächst gebannt, bis die gekränkte Großmacht Habsburg keine Ruhe gab und eine Spirale der Eskalation in Gang setzte. Ich teile die von vielen Journalisten gepflegte Zuversicht nicht, daß aus der Krim-Krise kein Krieg werden könnte. Schon ein begrenzter Krieg in der Ostukraine würde die militärisch skelettierten EU-Staaten alt aussehen lassen. Generalmajor a.D.

Gerd Schultze-Rhonhof, Haldensleben

 

Amerika, ein gefährlicher Freund

Außenpolitisch gehorchte die Bonner Republik im wesentlichen dem amerikanischen Freund, bestimmten die „Atlantiker“ die Richtung. Für das neue Deutschland stellt sich die Frage, ob die Orientierung an US-amerikanischen Interessen noch sinnvoll ist.

Für die USA war die Vereinigung Westdeutschlands mit Mitteldeutschland kein Ziel, sondern ein Mittel, um die Nato weiter nach Osten auszudehnen. Obwohl von „Freunden umstellt“, blieb Deutschland in der Nato. Wir sehen heute, daß die USA – unter dem Vorwand, für Menschenrechte, Freiheit, Demokratie etc. einzutreten – die Nato bis an die russische Grenze schieben wollen. Dies macht die USA – unabhängig von den NSA-Aktivitäten – zu einem gefährlichen Freund. Deutschland sollte sich daher an de Gaulles Sichtweise orientieren: Die Machtinteressen der USA sind nicht identisch mit den Sicherheitsinteressen Europas. Rußland ist eine europäische Macht, die USA nicht.

Manfred Bunte, Erkrath

 

Nicht Ideologie, sondern Intellekt

Daß die aktuellen Aussagen von Dieter Stein und Sahra Wagenknecht zur Krim-Krise sich nahezu gleichen, zeigt nicht einen gemeinsamen ideologischen Standpunkt an. Es sind Aussagen intelligenter Menschen, die historische Entwicklungen in der Welt sehr nüchtern betrachten und zutreffende Schlußfolgerungen für die deutsche und europäische Politik ableiten. Indem diese Schlußfolgerungen dem von der USA diktierten Mainstream widersprechen, zeigen sie ein Selbstbewußtsein, welches man bei Aussagen deutscher Spitzenpolitiker schmerzlich vermißt. Deren abgegriffene Formel von der „Verletzung des Völkerrechts“ durch Rußland klingt wie Hohn und Zynismus beim Blick auf die brutale Durchsetzung geopolitischer Interessen durch die USA im Irak, in Afghanistan und in Libyen in den letzten Jahren.

Und nicht zu vergessen: Wir hängen am „Energietropf“ Rußlands. Wenn der Wirtschaftsminister eines deutschen Bundeslandes die reale Abhängigkeit mit erneuerbaren Energien, mit Sonne, Wasser und Wind unterlaufen will, kann einem nur schlecht werden vor soviel Dummheit und Ignoranz eines hochrangigen Politikers.

Dr. Hans J. Kolbe, Berlin

 

 

Zu: „Aufgeschnappt / Zu spät am Finanzplatz“ von Matthias Bäkermann, JF 13/14

Zeit der Bundesmarine ist vorbei

Zunächst ist es erst einmal schön, etwas von der Marine in der JF zu lesen. Allerdings sind einige Richtigstellungen nötig: So wird der Begriff Bundesmarine seit 1995 nicht mehr genutzt. Die Teilstreitkraft heißt „Marine“, zur namentlichen Abgrenzung zu anderen Marinen „Deutsche Marine“. Außerdem sind die genannten Schiffe – Bestandteil des EAV („Einsatz- und Ausbildungsverband der Deutschen Marine“) – erst seit Februar 2014 im Einsatz. Übrigens war auch das Flaggschiff des Verbandes, der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“, vor Dublin, der noch größer ist als die anderen. Den hat der Hafenmeister wohl übersehen. War etwa „Guinness“ im Spiel?

Andreas Schmidt, Geyer

 

 

Zu: „Den Überblick verloren“ von Markus Brandstetter, JF 13/14

Uli Hoeneß in Gottes Mahlwerk

Was soll das? Sollen wir Leser nun Mitleid mit Herrn Hoeneß haben? Das ist der Aufstieg und Fall eines bayrischen (Schein-)Heiligen, der auch kräftig ausgeteilt hat. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber trefflich fein.

Ernst Beyer, Haan

 

Auch normale Bürger versteuern

Im Grundsatz stimme ich den Ausführungen zu, nur lassen diese unberücksichtigt, daß „Prominente“ , die „insbesondere“ unter öffentlicher Demütigung zu leiden haben, sich vorher von derselben Öffentlichkeit gern haben feiern lassen – als Vorbild und oft gar als moralische Instanz! Ferner steht es meines Wissens bisher nicht zweifelsfrei fest, ob „all diese Geschäfte“ mit Geld finanziert wurden, das Hoeneß „schon einmal versteuert hatte“. Auch die Sparguthaben normaler Bürger stammen aus bereits versteuertem Einkommen; trotzdem sind Zinsen, die Sparguthaben einbringen, erneut zu versteuern.

Im übrigen ist davon auszugehen, daß Uli Hoeneß die dreieinhalb Jahre Gefängnis nicht vollständig wird absitzen müssen. Auch gibt es die Möglichkeit des offenen Vollzuges, der „für die Leute, die Banken überfallen oder Menschen auf U-Bahnhöfen ins Koma prügeln oder umbringen“, kaum in Frage kommen dürfte.

Hans-Christian Hartig, Goch am Niederrhein

 

 

Zu: „Hilft denn keiner“ von Stefan Michels, JF 12/14

Selbsternannter Wächterrat

Die Linkslastigkeit von Wikipedia erlebte ich, als ich – unter Benutzer-Pseudonym angemeldet – dort kürzlich mein Buch „Die deutsche Erhebung 1812–1815“, Resultat meiner mehr als dreißig Jahre dauernden wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Zeitalter Napoleons I., in die Literaturtitel zu dem Artikel „Befreiungskriege“ einreihte. Noch am selben Tag strich ein unter Pseudonym agierender Zensor mein Buch mit der Frage „Ist das irgendwo positiv rezipiert?“ Ich ließ nicht locker und machte die Streichung am nämlichen Tag rückgängig. Vergebens, denn nur wenige Stunden später hatte ein anderer Wikipedia-Zensor die Monographie wieder gestrichen. Der selbstverräterische Eintrag dazu lautete: „Erschienen bei Druffel & Vowinckel: nicht geeignet“.

Unabhängig davon, daß ich seit 2012 nicht mehr mit diesem Verlag zusammenarbeite, wird dieser „Eignungsmangel“ aus einem angeblichen Kontext von Gedankengut abgeleitet, über dessen Einstufung nicht der mündige Bürger und Leser entscheiden darf, sondern die „Antifa“, die vermeintlich die Demokratie verteidigt ...

Dr. Mario Kandil, Linnich

 

 

Zu den Leserbriefen: „Erinnerung an das Jahr 1938“ & „Appeasement wäre falsche Politik“, JF 12/14

Da lachen doch die Hühner

Beide Leserbriefe entsprechen dem Standpunkt der deutschen US-hörigen Mainstream-Medien. Dabei sind die bisherigen Berichte der JF – ich bin 1929 in der Ukraine geboren, meine Mutter auf der Krim – nach meinem Wissen durchaus objektiv. Rußland soll eine Bedrohung „für unsere eigene Freiheit“ sein – bei einer Wirtschaftsleistung gleich Belgien? Da lachen doch die Hühner!

Tatsache ist, daß Russen in Rußland, auf der Krim und im Ostteil der Ukraine mehrheitlich zu Putin halten. Er vertritt nationale Interessen und ist auch gegenüber Deutschland positiv eingestellt. Mit Rußland als Gegenpol zu den USA ergäbe sich für Deutschland eine Hoffnung, die einseitige Abhängigkeit von den USA zu lockern.

Franz Harder, Leopoldshöhe

 

 

Zu: „Ein bißchen Kalter Krieg“ von Thorsten Brückner & Thomas Fasbender, JF 11/14

Nicht ein Zimmer, eine Wohnung

Der Westen hat vor über zwei Jahrzehnten eine große Chance vertan, als er den (russischen) Vorstellungen eines „Hauses Europa“ die kalte Schulter gezeigt hat. Dabei hätte Rußland schon allein wegen seiner eurasischen Ambitionen wohl nicht unbedingt eine Mitgliedschaft in der EU angestrebt, sondern lediglich eine Assoziierung mit ihr – auch wenn den Russen wegen ihrer gewichtigen europäischen Geschichte in diesem Haus nicht ein Zimmer, sondern eine ganze Wohnung zuzugestehen gewesen wäre.

Dann gäbe es russischerseits längst kein Problem damit, die Ukraine in gleicher Weise ins europäische Boot zu holen. Alle slawischen und meist ostchristlichen Länder gehören weit eher zum Westen als die Türkei, die in Europa nur über einen Brückenkopf verfügt und auch in der Vergangenheit nie zu Europa gehört hat, sondern – ganz im Gegenteil – gegen Europa angetreten war.

Außerdem ist zu bedenken, daß Rußland letzte europäische Kolonialmacht verblieben ist. Nur hat es seine Kolonien nicht in Übersee, sondern am sich stets ausdehnenden Rand des Zarenreichs „erworben“. Die Völker der baltischen, transkaukasischen und zentralasiatischen Staaten haben sich aus der postzaristischen Sowjetunion bei deren Verfall lösen können – doch unzählige Völker und Volksstämme werden von den Russen immer noch beherrscht. Mit 15 Prozent stellen etwa die Krimtataren lediglich eine Minderheit in der umstrittenen Halbinsel dar. Wer soll sie schützen? Etwa die Türkei, wie die JF zwei Seiten weiter im Auslandsteil vermeldet?

Hans-Gert Kessler, München

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen