© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Clemens Binninger. Ob NSU oder NSA – der Innenpolitiker könnte BKA-Chef werden
Der Aufklärer
Marcus Schmidt

Clemens Binninger ist ein freundlicher Mensch. So haarsträubend die Pannen und Versäumnisse der Behörden im Zusammenhang mit der dem NSU zugeschriebenen Mordserie auch waren, der Obmann der CDU/CSU im Untersuchungsausschuß des Bundestages blieb bei Zeugenbefragungen stets höflich und sachlich. Wer dies jedoch als Harmlosigkeit mißinterpretierte, lief Gefahr, von dem CDU-Mann, der diese Woche den Vorsitz im neuen NSA-Untersuchungsausschuß übernimmt, in die Mangel genommen zu werden. Erschien Binninger ein Sachverhalt besonders erklärungsbedürftig, wie etwa der rätselhafte Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn, ließ er nicht locker, setzte den Zeugen immer wieder mit detaillierten Fragen zu.

Vor allem bei der Befragung von Ermittlungsbeamten gab sich der gelernte Polizist, den sein Weg vom Streifendienst in Freiburg über die Polizei-Führungsakademie in Münster in das Stuttgarter Innenministerium und schließlich nach Berlin führte, nicht mit ausweichenden oder allgemein gehaltenen Antworten zufrieden. Er stand somit nie im Verdacht, im Sinne falschen Korpsgeistes über Fehler seiner ehemaligen Kollegen hinwegzugehen. Mehr als einmal wirkte er ob der im Ausschuß zutage geförderten Versäumnisse und Fehler der Polizei bei der Fahndung nach dem mutmaßlichen NSU-Trio fassungslos.

Der Bundestagsabgeordnete aus Böblingen bei Stuttgart ist dabei im Gegensatz zum damaligen Ausschußvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) kein Mann für laute Auftritte und medienwirksame Zuspitzungen. Wie vielleicht kein anderes Ausschußmitglied verkörperte er den sachorientiert und konzentriert arbeitenden und vielleicht dadurch etwas langweilig erscheinenden Aufklärer. Nicht nur in seiner Fraktion hat sich der 1962 im badischen Bonndorf geborene Binninger, dem eine gewisse Ähnlichkeit mit Altbundespräsident Christian Wulff nachgesagt wird, durch seine Arbeit Anerkennung erworben. Selbst zur Linkspartei-Politikerin Petra Pau entwickelte sich über alle politischen Gräben hinweg im NSU-Ausschuß eine konstruktive „Arbeitsfreundschaft“, die 2013 in der preisgekrönten ARD-Dokumentation „Staatsversagen“ nachgezeichnet wurde.

Seine Leistung hat Binninger nach der Bundestagswahl den Vorsitz des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums eingebracht. Das Amt des Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses, der die Umtriebe des amerikanischen Geheimdienstes in Deutschland aufklären soll, fiel ihm daher fast automatisch zu. Doch vielleicht wird Binninger ihn gar nicht bis zum Schluß führen können. Seit Jahren wird er als möglicher Nachfolger von BKA-Chef Jörg Ziercke gehandelt. Geht dieser im Herbst in Ruhestand, ist Binningers Name wieder im Spiel. Die schlechteste Wahl wäre er nicht.

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