© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Schwarz-Gelbe hat Angst vor Blau
Landtagswahl: In Sachsen verfolgt die letzte Koalition aus CDU und FDP mit wachsender Sorge den Aufstieg der AfD
Paul Leonhard

Immerhin, 19 Sachsen haben ein Herz für Verlierer und sind dem Werbeslogan „Für Helden – jetzt Mitglied werden“ gefolgt und der sächsischen FDP beigetreten. Die steht im Freistaat vor einer „Herkulesaufgabe“, denn sie will trotz schlechter Umfragewerte nach den Wahlen am 31. August erneut in den Landtag in Dresden einziehen. Momentan werden ihr, ebenso wie den Piraten, lediglich zwei Prozent der Stimmen (2009 zehn Prozent) prognostiziert. Auf 17 Prozent käme die SPD, auf 15 die Linke, auf jeweils sechs Prozent kommen Alternative für Deutschland (AfD) und Grüne.

Würde es bei diesen Ergebnissen bleiben, hätten die Sachsen das, was sie sich in der Mehrheit offenbar wünschen: einen wieder ausschließlich CDU-regierten Freistaat wie zu Zeiten Kurt Biedenkopfs. Denn der Sachsen-Union unter Ministerpräsident Stanislaw Tillich werden 49 Prozent der Stimmen vorausgesagt.Trotzdem beunruhigt Unions-Politiker wie den Landtagsfraktionsvorsitzenden Steffen Flath, der auch Mitglied des konservativen Berliner Kreises der CDU ist, daßAuftreten der AfD, das die Mehrheit von Union und FDP im Bundestag verhindert hat. Es gilt als gesetzt, daß die Euro-Kritiker in den Landtag einziehen werden. Bei der Bundestagswahl schaffte die neue Partei hier in jedem Wahlkreis den Sprung über die Fünfprozenthürde und erreichte mit insgesamt 6,8 Prozent das beste Ergebnis in allen Bundesländern.

Die Gründung der AfD sei eine „Konsequenz einer Vernachlässigung des konservativen Profils in den Reihen der Unionsparteien gewesen“, heißt es in einer Analyse des Berliner Kreises. Dringend müsse die Union in das Lager der Nichtwähler abgewanderte Anhänger zurückgewinnen und dürfe diese nicht der neuen Partei überlassen. Es wird die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Programmatik der AfD gefordert. Je mehr die Union nach links rücke, desto größer seien die Chancen der AfD.

Genau an dieser Stelle setzt auch das Wählerwerben der Liberalen an. Seine Partei wirke als „Impulsgeber und Korrektiv, das den linken Flügel der Union in Schach hält“, sagt FDP-Landeschef Holger Zastrow in einem Interview mit Bild: „Wir halten CDU und Sachsen auf Kurs.“ Gleichzeitig beschwört Zastrow die konservative Wählerschaft: Sachsen sei mit seiner schwarz-gelben Regierung „die letzte Bastion und für die ganzen Sozialisten und grünen Tugendwächter das letzte Hindernis auf dem Weg zur komplett sozialdemokratisierten Republik“. Wenn man genügend „Kampfgeist und Optimismus“ aufbringe, werde die Sachsen-FDP die Trendwende schaffen, versucht Zastrow die 2.300 Parteimitglieder zu motivieren.

Der liberale Angstgegner ist derweil in die Offensive gegangen. Ganz ohne Wahlen ist die Alternative für Deutschland in die ersten Gemeinde- und Stadträte sowie Kreistage eingezogen. In Freital bei Dresden sogar in Fraktionsstärke, weil gleich drei CDU-Stadträte frustriert zur AfD gewechselt sind. „Es werde immer deutlicher, daß auch gestandene Politiker in den etablierten Parteien keine Zukunftsfähigkeit mehr erkennen“, kommentierte das AfD-Landeschefin Frauke Petry.

Hoffnungsvoll blickt man auch in Thüringen auf diese Entwicklung. „Wir hoffen, daß verantwortungsvolle und bürgernahe Mandatsträger welcher Parteien auch immer hier und da auf die AfD zugehen“, schrieb Landessprecher Matthias Wohlfarth. Landespolitisch wolle man eine bürgernahe und aufklärende Stimme sein, mit einem guten Verhältnis zu vernünftigen politischen Akteuren verschiedener Parteien. Gelte es im Herbst eine rot-rote Regierung zu verhindern, sei die AfD „aus Verantwortung für Thüringen“ auch bereit, eine Koalition mit der CDU einzugehen.

Spätestens seit diesen Gedankenspielen aus Thüringen nimmt auch Zastrow die AfD ernst. Und es ist ihm sogar gelungen, die sonst überlegen argumentierende Petry mit einer Randbemerkung aus der Reserve zu locken. Nachdem er in der Bild die AfD als „rechte Trümmertruppe“ bezeichnet hatte, lief ihr Anfang des Jahres die Galle über: Zastrow sei ein Studienabbrecher, der „mit dem Amt des sächsischen Wirtschaftsministers restlos überfordert gewesen wäre“ und überdies „ein ängstlicher Politschaumschläger, den Sachsen nicht braucht“.

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