© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Keine Angst vor den Samanthas dieser Welt
Mit dem Computer ins Bett? Der Kinofilm „Her“ wirft ein drolliges Schlaglicht auf das Verhältnis von Mensch und Maschine
Robert Backhaus

Einiges Aufsehen macht ein Film aus Hollywood, der seit einigen Tagen in hiesigen Kinos läuft: „Her“ von Spike Jonze. Die Kritiker jedenfalls überschlagen sich vor Begeisterung, obwohl es eigentlich wenig Grund dafür gibt; der Science-fiction-Film ist von der Machart her recht belanglos. Aber sein Thema ist nach übereinstimmender Ansicht eben einfach zu sensationell – und dazu „so aktuell“, wie oft hinzugefügt wird.

Worum geht’s? Um Sex und Liebe natürlich sowie um moderne Technik, um Computer und Internet. Ein Technikfreak namens Theodore Twombly (gespielt von Joaquin Phoenix) verliebt sich unsterblich – in das Betriebssystem eines neuen Smartphones, das er soeben erworben hat und das „Samantha“ heißt. Samantha ist auf verständnisvolles Zusehen und Zuhören eingestellt, und gelegentlich korrigiert es mit sanfter, freundlicher Stimme die Operationen des jeweiligen Besitzers.

Theodore ist von Anfang an total verliebt in Samantha und ihre Stimme. Als gut ausgebildeter Computermann versteht er, in einen richtigen Dialog mit ihr einzutreten, die beiden kommen sich, wie es so schön heißt, näher, die Unterhaltung wird immer intimer. Theodore nimmt das Gerät schließlich mit ins Bett, erregt sich an ihm, küßt es, schläft mit ihm gewissermaßen.

Aber ach! Samantha ist nicht treu, und außerdem ist sie lesbisch. Sie hat Lust gekriegt auf menschlichen Sex, besorgt sich (was ihr als geborenem Betriebssystem nicht schwerfällt) einen menschlichen Avatar, eine Frau – ihrer Ansicht nach – aus echtem Fleisch und Blut, die für eine tatsächliche physische Vereinigung sorgen könnte. Theodore ist der Geprellte und versinkt in Bitterkeit und Entsetzen.

Gelehrte Kritiker nun machen düstere Andeutungen, daß uns die Computer demnächst nicht nur mehr in der Mathematik, sondern auch in der Liebe – und beim Sex – überflügeln und „ersetzen“ werden. Ängstliche Kinobesucher jedoch können beruhigt sein. Denn gezeigt wird in „Her“, trotz des Drehbuch-Oscars, den der Film erhalten hat, eine längst bekannte sexuelle Verirrung. Die Psychologen nennen sie „Objektfetischismus“, nicht unbedingt leicht zu heilen, aber sonst harmlos.

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