© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Manuel Valls. Frankreichs neuer Premier soll Hollandes Präsidentschaft retten
Der Rammbock
Jürgen Liminski

Manuel Valls hat, im privaten wie im politischen Leben, den Ton der ersten Geige im Ohr. In der Politik ist es Präsident Hollande, zu hause seine zweite Frau Anne Gravoin, Preisträgerin für Kammermusik des Conservatoire de Paris. Er hört zu und folgt. Das tat er schon, als seine Eltern mit ihm aus Spanien aus- und nach Frankreich einwanderten. Mit zwanzig gibt er 1982 die spanische Staatsbürgerschaft auf und entscheidet sich für die französische. Ein Teil seines Herzens aber bleibt in seiner Geburtsstadt Barcelona. Manuel Carlos Valls Galfetti gehört zu den bedingungslosen Anhängern des Fußballvereins der katalanischen Metropole. Ein Verwandter hat die Hymne des FC Barcelona geschrieben, mit den Freunden seiner Kindheit spricht er im Stadion katalanisch.

Der Katalane im Hotel Matignon ist zielorientiert. Eine politische Bestie, immer auf der Suche nach Beute. Das muß nicht immer nur die eigene Karriere sein, aber ein Satz wie ihn der Vorgänger im Innenministeramt, Nicolas Sarkozy, höhnisch-ironisch gegenüber Journalisten äußerte – „Wenn ich mich morgens rasiere, denke ich ans Elysee“ – könnte auch aus seinem Mund kommen. Jedenfalls hat er keine Angst, seine Meinung zu äußern. Deshalb ist er auch der populärste Politiker der Linken. Le Monde bezeichnet ihn in der „sozialistischen Galaxis“ als den „Apparatschik, der sich die Aufgabe gesetzt hat, Dogmen plattzumachen, Idole vom Sockel zu stoßen, Tabus zu brechen“. Auf ihn passe die Formel: „Ich überziehe, also bin ich!“

Das mag mit seinem spanischen Temperament zusammenhängen. Sicher ist, daß die Erfahrung seiner Kindheit und der frühe Umgang mit Künstlern nicht nur in der jetzigen, sondern auch in seiner Herkunftsfamilie – sein Vater war ein bekannter katalanischer Maler, sein Onkel ein gefragter Architekt der italienischen Schweiz – ihm die Sicherheit vermittelt haben, daß Grenzen überschritten werden können, daß das Individuum seinen Weg in der globalisierten Welt suchen muß. Es war deshalb nur folgerichtig, daß er seine politische Karriere in der losen, pragmatisch-sozialdemokratischen Formation des Michel Rocard begann. Der nahm ihn mit, als er Premierminister von Mitterrand wurde. Rocard gehört zusammen mit dem General Clemenceau und dem Sozialdemokraten Pierre Mendès France zu seinen Vorbildern. Sie stehen für Grundideen seiner Politik: Sicherheit, Laizität, Integration.

In seinem 2010 erschienenen Buch über die „Macht“ schreibt er, die überall in Europa und in allen Parteien etablierte Sozialdemokratie habe sich „erschöpft“. Jetzt gehe es um die „Selbstverwirklichung des Individuums“ durch Chancengleichheit. Mit diesem pragmatischen Ansatz wird er an Grenzen stoßen – in den eigenen Reihen. Wäre er nicht so jung, könnte man es tragisch nennen. Aber mit 52 Jahren hat Valls sicher noch Zukunft in Frankreich und Europa.

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