© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

David gegen Goliath
Bundestag: Nach der Konstituierung des NSA-Untersuchungsausschusses versuchen die Parlamentarier, die Erwartungen zu dämpfen
Christian Schreiber / Marcus Schmidt

Die Empörung war groß, als bekannt wurde, daß der amerikanische Geheimdienst NSA in Europa und vor allem in der Bundesrepublik im großen Maßstab abhört. Ausgelöst wurde der Skandal durch den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden, der Unmengen an geheimem Material veröffentlichte. Nun sitzt Snowden in Rußland und soll nach dem Willen einiger deutscher Parlamentarier irgendwann in Berlin aussagen.

In der vergangenen Woche hat sich der NSA-Untersuchungsausschuß des Bundestages konstituiert, der das Ausmaß der Bespitzelung in der Republik aufklären und Maßnahmen, wie Bürgerrechte künftig besser geschützt werden können, erarbeiten soll (JF 15/14). Doch schon zu Beginn zeigte sich, daß die Erwartungen an das achtköpfige Gremium denkbar gering sind.

Der Geheimdienst-Experte Josef Foschepoth, Autor des Buchs „Überwachtes Deutschland“, ist jedenfalls skeptisch und unterstellt vor allem den Großkoalitionären von CDU und SPD kein wirkliches Interesse an einer Aufklärung: „Wirklich Neues wird dieser Ausschuß kaum zutage fördern. Das werden CDU und SPD und die hinter ihnen stehende Administration schon zu verhindern wissen“, sagte er dem Cicero. Er erklärt dies mit der historischen Rolle Nachkriegsdeutschlands. Die Bundesrepublik sei für die Vereinigten Staaten immer ein strategisch wichtiger Standort der Überwachung gewesen, dies habe schon der erste Bundeskanzler gewußt, toleriert und sogar Nutzen daraus gezogen: „Deutschland hat sich im Zwei-plus-Vier-Vertrag bewußt bestimmten Beschränkungen unterworfen. Das war die Voraussetzung dafür, daß es überhaupt zur Wiedervereinigung kam, an der die USA kein sonderliches Interesse hatten“, sagte er: „Das erklärt, warum keine der beiden Seiten geheimdienstliche Zusammenarbeit publik machen möchte. Diplomatisches Einvernehmen spricht man unter Freunden nicht immer wieder aus, man praktiziert es.“

Was dürfen ausländische Geheimdienste?

Dementsprechend will sich der Ausschuß zunächst auch mit völkerrechtlichen Fragen beschäftigen und hierzu Experten anhören. Es gelte zu klären, was ausländische Geheimdienste in Deutschland dürften und welche Zusammenarbeit es mit BND und Verfassungsschutz gebe, umriß Ausschußchef Clemens Binninger (CDU) die Ziele des Gremiums. „Haben deutsche Dienste etwas gewußt?“ fragte er.

Hans-Christian Ströbele (Grüne)würde am liebsten Snowden vor dem Ausschuß aussagen lassen. Daß dies zustande kommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Aus Kreisen von CDU und SPD war zu hören, der 31jährige könne schriftlich aussagen. Doch nicht alle versprechen sich einen Erkenntnisgewinn aus einer solchen Befragung. Der Obmann der Union, Patrick Sensburg (CDU), interessiert sich stattdessen für die NSA-Dokumente, mit denen Snowden seit Monaten internationale Medien füttert. Wenn es Snowden mit der Aufklärung wirklich ernst meine, werde er dafür sorgen, daß der Ausschuß die Dokumente bekomme, hofft Sensburg.

Skeptisch wird unter den Parlamentariern die Bereitschaft der Vereinigten Staaten eingeschätzt, mit dem Ausschuß zusammenzuarbeiten. Es gibt keine rechtliche Möglichkeiten, eine Ladung ausländischer Zeugen durchzusetzen. „Ich bin nicht optimistisch, ich bin realistisch“, sagte Binninger. Der SPD-Obmann im Ausschuß, Christian Flisek, fordert die Verbündeten zumindest offiziell auf, mit offenen Karten zu spielen und ihre Blockadepolitik zu beenden: „Ich setze auf Kooperation und auch darauf, daß sich in den USA eine Öffentlichkeit entwickelt, die dieses Thema und dieses Problem sehr ernst nimmt, und daß auch der Druck auf dortige Regierungsstellen steigen wird“, sagte er dem Deutschlandfunk. Binninger rechnet indessen damit, daß sich die Arbeit des Ausschusses zwei Jahre hinziehen könnte.

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