© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Deutschland, freue Dich
Bildband: Damals und heute – faszinierende Blicke auf den Wandel an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze
Christian Vollradt

Auf einer Strecke über 1.300 Kilometer durchschnitt sie Deutschland von Norden nach Süden, zusätzlich noch einmal 161 Kilometer mitten durch Berlin; 40 Jahre bestand die innerdeutsche Grenze, ab 1961 als immer stärker befestigtes und bewachtes Bollwerk, mit dem die Machthaber des SED-Staats den Exodus verhindern wollten und schließlich 17 Millionen Einwohner einsperrten.

Als 1989 der Bankrott des „ersten sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden“ nicht mehr zu bemänteln war, hatte diese willkürliche Grenze ihren Sinn verloren, und in den annähernd 25 Jahren danach ist sie fast vollständig verschwunden.

Geschenk der deutschen Einheit sichtbar gemacht

Der Fotograf Jürgen Ritter hat das, was sie einst ausmachte, den Stacheldraht, die Betonmauern, Wachtürme, Selbstschußanlagen und Kolonnenwege, auf etwa 40.000 Aufnahmen dokumentiert (JF 46/09). Gemeinsam mit dem Journalisten Peter Joachim Lapp gab Ritter den Bildband „Die Grenze – ein deutsches Bauwerk“ heraus, ein Standardwerk, das mittlerweile in 8. Auflage erschienen ist.

Nun legen die beiden Autoren einen neuen Bildband vor: In „Deutschland grenzenlos“ werden den Bildern aus Zeiten der Teilung aktuelle Aufnahmen desselben Ortes, fotografiert aus derselben Perspektive, gegenübergestellt. Seite für Seite geht es von der Ostseeküste bis ins bayerisch-thüringische beziehungsweise bayerisch-sächsische Grenzgebiet, den Abschluß bilden Aufnahmen aus der Mitte Berlins. Das Buch bietet zudem in zwei vorangestellten Kapiteln kompakte Informationen zur Geschichte der Teilung wie auch zur Entwicklung des früheren Grenzgebiets seit der Wiedervereinigung (inklusive Hinweisen auf Gedenkstätten und Museen).

Dieses Buch krönt die Arbeit seiner Verfasser, deren Tätigkeit keineswegs immer opportun war. Peter Joachim Lapp, seit 1977 Redakteur beim Deutschlandfunk, wurde von der Stasi als „gefährlicher Feind der DDR“ bezeichnet, auf Jürgen Ritter waren mehrere Informelle Mitarbeiter angesetzt. Doch behindert – und das ist der noch größere Skandal – wurde die Arbeit des Fotografen auch von jenen Politikern in der Bundesrepublik, die in den achtziger Jahren aus Rücksicht auf ihre deutsch-deutschen Städtepartnerschaften Ritters Ausstellungen über den mörderischen Charakter der Sperranlagen verhindert hatten.

Wer „Deutschland grenzenlos“ durchblättert und die Gegenüberstellung des Gestern mit dem Heute nachverfolgt, wird sich ohne Abstriche dem Urteil der beiden Autoren anschließen müssen, daß die Überwindung der unnatürlichen Teilung, die Einheit Deutschlands ein „Geschenk der Geschichte“ ist

Jürgen Ritter, Peter Joachim Lapp: Deutschland grenzenlos. Ch. Links Verlag, Berlin 2014, gebunden, 200 Seiten, 300 Abbildungen, 29,90 Euro

Fotos: Elbdeich bei Lauenburg 1984 und 2013: DDR-Grenzaufklärer fotografieren westliche Touristen, 30 Jahre später wandeln dort Urlauber (l.); Brandenburger Tor 1984, 2012: Lang diente das verriegelte Berliner Wahrzeichen als Touristenattraktion, nun drängen sich dort Autos; Verbindungsstraße zwischen Berlin-Zehlendorf und Potsdam-Babelsberg 1982 und 2010: Freie Bahn statt eingemauert

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