© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Der Provokateur
Akif Pirinçci: Die Reaktionen auf sein Buch nehmen bizarre Züge an / Er selbst fühlt sich zensiert
Henning Hoffgaard / Ronald Gläser

Am Sonnabend veröffentlichte Akif Pirinçci auf seiner Facebook-Seite einen roten Warnhinweis mit der Aufschrift „Vorsicht, Fälschung“. Jemand habe ein fiktives Zitat aus seinem Buch ins Netz gestellt, in dem er sich feindselig gegenüber Homosexuellen äußert. „Diese gefakten Zitate sollen dazu dienen, Amazon und Konsorten dazu zu bewegen, das Buch aus dem Sortiment zu nehmen und mir empfindlich zu schaden“, so der Bestsellerautor.

Pirinçci kommt nicht zur Ruhe. Das falsche Zitat ist die jüngste Eskalationsstufe im Kampf zwischen Bestsellerautor Pirinçci und seinen Kritikern. Es geht um Aufmerksamkeit und Auflage. Beide Seiten schenken sich nichts. Das zeigte ganz besonders sein Auftritt im ZDF-Mittagsmagazin vor einer Woche.

Der Zuschauer erwartet in diesem Format seichtes Geplauder zwischen dem Auftritt des Fernsehkochs und den Verbrauchertips. Nicht so an diesem Mittwochmittag. Pirinçci saß acht Minuten bei Moderatorin Susanne Conrad auf dem Sofa, aber er dachte nicht daran, Small talk zu betreiben.

„Man dachte wohl, daß ich live und vor aller Welt Augen den gezähmten Akif geben würde“, schrieb Pirinçci nach der Sendung bei Facebook. Er jedoch habe „eine Salve nach der anderen abgefeuert“. Tatsächlich: Pirinçci nahm kein Blatt vor den Mund. Frauen mit Kopftuch machten ihn „wütend“. Ausländer würden in Deutschland glorifiziert. Die CDU sei „rot-grün versifft“. Deutschlands Städte sähen zu orientalisch aus. Und dann ging er unter die Gürtellinie: „Die Kinder- sexpartei, die Grünen haben das Land kaputtgemacht.“

Pirinçci berichtet, der Aufnahmeleiter habe Frau Conrad mehrfach aufgefordert, das Interview abzubrechen („Abwürgen, abwürgen“). Außerdem seien eigentlich 15 Minuten für das Gespräch vereinbart gewesen. Vor allem ärgerte er sich aber darüber, daß sein Satz über die Grünen aus der Mediathek entfernt wurde. „Das ist Zensur“, sagt Pirinçci der JUNGEN FREIHEIT. Im Netz verbreitete sich sein Zensurvorwurf in Windeseile.

Das ZDF fürchtete eine Verleumdungsklage

Das ZDF weist das gegenüber der JF zurück. „Die rechtliche Bewertung des Interviews hat gezeigt, daß die vollständige Einstellung des Gesprächs in die ZDF-Mediathek zu rechtlichen Risiken für das ZDF führen würde“, heißt es in Bürokratendeutsch. Klartext: Wir wollen keine Verleumdungsklage der Grünen.

Pirinçci hat dafür kein Verständnis.„Wenn sie das Interview ganz rausgenommen hätten, wäre das in Ordnung. Es ist ihr Sender“, betont er. Die eigenmächtige Kürzung des Interviews sei aber inakzeptabel. Journalisten, die es gewohnt sind, Texte von Dritten zu kürzen, sehen das naturgemäß anders.

Pirinçci hat noch weitere Baustellen: Er ist auch unzufrieden mit einem Hitler-Vergleich in der Zeit. Dort stand, sein Buch erinnere an Hitlers „Mein Kampf“. Dies sei „ein difffamierender Wink an den Buchhandel“, so Pirinçci. Mit dem Verkauf zeigte er sich jedoch zufrieden: „Es ist jetzt schon der Verkaufsknaller des Jahres.“ Allerdings nur in den großen Ketten und bei Amazon. Auf buchreport.de kritisiert der Inhaber des Manufactum Verlags Thomas Hoof eine Art Zensurmentalität des Sortimentsbuchhandels, an dem das Geschäft vorbeigehe. Hoof spekuliert darüber, daß die Ursache dafür eine Mischung aus „Verschlafenheit“ und „KundInnen-Schutz“ sei.

ZDF-Mittagsmagazin vom 3. April 2014. Die ungekürzte Fassung des Interviews auf www.jungefreiheit.de Titelgeschichte Seite 1

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