© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Mit der Europäischen Grundrechte-Charta gegen letzte Karlsruher Knapp daneben
Das Fachkräftegerede zieht nicht
Karl Heinzen

Nur noch 21,3 Prozent der deutschen Betriebe haben im vergangenen Jahr eine Berufsausbildung angeboten. Eine derartig niedrige Quote wurde zuletzt 1999 erreicht. Unsere Wirtschaft trägt damit dem demographischen Wandel Rechnung.

Allerdings ist das Tempo der Anpassung zu langsam. Die Zahl der angebotenen Lehrstellen sank im Vergleich zu 2012 zwar um 16.000. Dennoch blieben über 33.500 Ausbildungsplätze unbesetzt, knapp 300 mehr als im Vorjahr.

Gestiegen ist jedoch auch die Zahl der „Unversorgten“. 21.000 Bewerber haben 2013 keine Lehrstelle gefunden, die ihren Wünschen entsprach. Hinzu kommen etwas über 60.000 Jugendliche, die eigentlich gerne eine Berufsausbildung begonnen hätten, nun aber weiter die Schulbank drücken oder anderen zwecklosen Beschäftigungen nachgehen.

Offenbar haben die Firmen nicht gelernt, daß manche Berufe für Jugendliche einfach nicht akzeptabel sind.

Für das Phänomen, daß Lehrstellen unbesetzt bleiben und zugleich Bewerber leer ausgehen, gibt es eine einfache Erklärung: Offenbar haben zahlreiche Unternehmen nicht gelernt, daß manche Berufe für Jugendliche einfach nicht akzeptabel sind. Junge Menschen sind zu intelligent, als daß sie auf das Fachkräftegerede hereinfallen könnten. Sie wissen, daß sich hinter dieser elitären Floskel zumeist lausige Jobs verbergen, die schlecht bezahlt werden und ihnen doch Unzumutbares abverlangen.

Wäre der Arbeitsmarkt wirklich ein Markt, müßte folgender Effekt auftreten: Je weniger Nachwuchskräfte es gibt, desto größere Anstrengungen unternehmen die Arbeitgeber, um diese durch gute Bezahlung und attraktive Stellen an sich zu binden. Jugendliche machen jedoch ganz andere Erfahrungen. Ständig nörgeln die Unternehmen, sie wären demotiviert, könnten sich nicht benehmen und hätten Probleme mit der Rechtschreibung und dem Einmaleins. Angehörige saturierter Generationen, denen alles in den Schoß gelegt wurde, erhöhen unentwegt den Druck. Wer heute vor der Berufswahl steht, weiß ganz genau, daß er länger arbeiten, mehr leisten und doch eher weniger verdienen wird als die Eltern.

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